Mandoline 2003

Im Jahr 2003 gingen wir auf die Suche nach einem Pferd für mich und die Kinder. Unser ältester Sohn ist autistisch und der Reittherapieverein schlug uns einen Deal vor, bei dem wir dem Verein das Pferd zur Verfügung stellen sollten und dafür Beritt und Reitstunden von dem Verein bekommen sollten. Dementsprechend war unser Anforderungsliste ziemlich umfangreich. Unser Pferd sollte eine Größe von ungefähr 1,60m haben , es sollte gut ausgebildet, aber nicht zu alt, zuverlässig, aber nicht triebig, kerngesund und selbstverständlich nicht zu teuer sein. Meine Tochter schwärmt für Rappen also nahmen wir diesen Punkt auch noch in unsere Wunschliste auf. Ein Rappe wäre toll, einen Fuchs jedenfalls wollte ich auf gar keinen Fall (auch wenn man auf der Farbe nicht reiten kann). Wie sich herausstellte war es einigermaßen unmöglich ein solches Pferd zu finden. Mittlerweile habe ich kapiert warum das so schwierig ist, wer will schon ein solches Pferd hergeben, ich nicht! Die Tatsache, dass ich ein blutiger Anfänger war, erleichterte die Suche nicht gerade. 

Schließlich bekamen wir den Tipp, uns mal Freiberger anzusehen. Wir fuhren also nach Rümmingen zur Familie Ludäscher. Dort gab es zwei Freibergerstuten, die uns auf Anhieb gefielen. Beide waren allerdings erst 3 Jahre alt. Herr Ludäscher schlug uns noch eine dritte vor. Mandoline und eine zweite Stute (Jamaique) gefielen uns besonders und so führte Herr Ludäscher sie uns vor. Er hatte eine Menge Bodenarbeit mit ihr gemacht und wir konnten sehen, dass weder Flatterbänder noch Planen etc. sie schrecken konnten. Überhaupt machte sie einen ziemlich gut erzogenen Eindruck. Wir unternahmen noch einen Ausritt auf dem wir die drei in Frage kommenden Stuten ausprobieren konnten.

Am 2. Tag stand fest, dass wir Mandoline kaufen würden. Mandoline ist 1,57 m groß, war zu dem Zeitpunkt 3 Jahre alt, angeritten, fuchsfarben und ist nicht unbedingt lauffreudig. Damit ist sie das Gegenteil von dem was wir uns ursprünglich vorgestellt hatten. Am Anfang lief es zu Hause ganz gut. Mandoline ging brav in den Therapiestunden, ich bekam Reitstunden mit und die Kinder konnte ich auf Mandoline spazieren führen.

Als der Winter kam, begannen unsere Schwierigkeiten. Mandoline sollte Ausgebildet werden, jedoch klappte dies überhaupt nicht. Dazu kam, dass sie einen Boxenkoller entwickelte, denn im Winter kamen die Pferde nicht auf die Weide. Im Januar eskalierte die Situation dermaßen, dass Mandoline sich weder longieren noch ausreiten ließ. Sie stieg, scheute und ließ sich kaum mehr bändigen. Ich fühlte mich unfähig, und bekam immer mehr das Gefühl mich übernommen zu haben. Ich hatte leider auch niemanden, der mir bei meinen Problemen helfen konnte. Die verschiedenen Reitlehrer die ich in dieser Zeit ausprobierte, waren entweder unzuverlässig oder der Sache nicht gewachsen. Oft bekam ich zu hören, dass ein Pferd in diesem Alter eben schwierig sei und das man einfach nur oft genug mit der Peitsche draufhauen müsse bis Mandoline kapiere, dass sie mit dem Verhalten nicht durchkommt. Wenn man das bis zum 5. Lebensjahr durchhalte, würde es schon gehen. Mit dieser Haltung konnte ich mich nicht identifizieren. Mir wurde ständig signalisiert ich sei einfach zu weich und zu ängstlich. Ängstlich und unsicher wurde ich aber immer mehr, da mir von allen Seiten die verschiedensten Ratschläge gegeben wurden, aber keiner sinnvoll erklären konnte wie ich echte Dominanz aufbauen konnte. Bodenarbeit war leider kein Thema. 

Die einzige die mir in dieser Zeit die Stange hielt war Julia, die mir als Reitbeteiligung zuverlässig bei der Versorgung half und mich oft tröstete. Von einigen wurde mir geraten Mandoline wieder zu verkaufen, das kam aber für mich nicht in Frage. Ich bin der Meinung wenn ich die Verantwortung für ein Tier übernehme muss ich mich dieser auch in schweren Zeiten stellen. Ich möchte mir auch gar nicht ausmalen wo Mandoline in diesem Zustand gelandet wäre. Andere teilten mir unmissverständlich mit was sie von Anfängern halten, die sich Pferde anschaffen, hilfreich war das nicht gerade. In dieser Zeit verbrachte ich viele Nächte schlaflos und Tränen gab es regelmäßig. Mir wurde bewusst, dass es so nicht weiter gehen konnte. Ich kaufte mir das Buch "Pferde erfolgreich motivieren" in der Hoffnung, ein paar einfache Tipps und Tricks zu finden mit denen ich Mandoline den Spaß an der Sache vermitteln könnte. Schon nach den ersten paar Seiten bekam ich eine Ahnung, dass artgerechte Haltung die Grundlage für eine Verbesserung der Stimmung zwischen uns sein könnte. und das Mandoline mit großer Wahrscheinlichkeit nur ihrer Überforderung Ausdruck gab.

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