Interview mit Westernrichterin Vreni Schmid
Vreni Schmid ist Sportrichter AQHA, APHA, NRHA, NSBA und richtete an den Finals der letzten Jahre viele Westernprüfungen. Unter anderem wurden auch die Fohlen des Fohlenchampionats unter den Gesichtspunkten des Westernreitsports von Vreni Schmid beurteilt.
Mandoline:
Möchten Sie uns etwas über sich als Person erzählen?
Vreni Schmid:
Ich bin seit 41 Jahren mit meinem Mann Walter verheiratet. Wir haben drei eigene Söhne und vier Enkelkinder. Zurzeit haben wir noch unsere letzten drei Pflegekinder im Alter zwischen 16-18 Jahren bei uns zu Hause. Sie sind schon 10 bzw. 12 Jahre bei uns und bleiben bis zu ihrem Lehrabschluss bzw. Selbständigkeit bei uns. Ich arbeite im Kantonsspital Münsterlingen als Stationssekretärin 40%. Mein Mann Walter ist Unternehmer und hat einen LKW. Wir haben einen Hof mit drei Pferden. Ich habe auch gezüchtet, aber die Zeit lässt es nicht mehr zu. Ich bin in der Saison von Frühling bis Herbst die meisten Wochenenden irgendwo im In- und Ausland auf einem Turnier. Im Jahr 2000 bin ich Richterin der DQHA geworden und 2004 Richterin der NRHA und der AQHA. 2014 habe ich die Prüfung zur EWU SWRA Richterin gemacht. Bis jetzt habe ich ca. 200 Turniere gerichtet. Es macht mir unglaublich Spaß.
Mandoline:
Was für ein Pferd würden Sie für sich selber auswählen?
Vreni Schmid:
Ich persönlich mag das Quarterpferd sehr gerne. Es ist für mich ein Favorit, wobei ich sagen muss, ich hätte auch gerne einen Paint im Stall. Nach einer Beurteilung am FM-Fohlenchampionat wollten wir ein Freibergerfohlen kaufen. Wir wollten ausprobieren, ob Freiberger auch zu uns passen. Leider haben wir das Fohlen partout nicht bekommen. Ich könnte mir auch ein Freibergerpferd im Stall vorstellen. Das sind so die drei Rassen, wofür ich eine Vorliebe habe. Mir macht es unheimlich Spaß Pferde zu beurteilen, auch am Turnier. Es ist schön die Menschen zu begleiten. Ihnen zu sagen, worauf sie noch achten können und sie damit vorwärts zu bringen. Ich finde es super mit den Teilnehmern gemeinsam diesen Sport ausüben zu können.
Mandoline:
Wie transparent ist die Beurteilung im Westernsport?
Vreni Schmid:
Wir haben ja im Western, außer in der Pleasure und der Halterklasse, in allen Disziplinen Scoreblätter. Diese werden nach der Prüfung ausgehängt, die Teilnehmer können sie lesen. Man kann sie auch erklären, es gibt keine willkürlichen Beurteilungen.
Mandoline:
Vereinfachen die Scoreblätter die Beurteilung für Sie als Richterin? Oder mögen Sie lieber die Beurteilung in der Halter- bzw. Pleasureklassen?
Vreni Schmid:
Ich arbeite lieber mit Scoreblättern. Aber die Scoreblätter verwendet man natürlich auch nur in den Einzelprüfungen. Im Pleasure wird ja in der Gruppe gerichtet. In den Prüfungen, die ich anhand der Scoreblätter richte habe ich das Pferd-/Reiterpaar für 2-3 Minuten einzeln vor mir und kann auch für jedes Paar einzeln meine Beurteilung abgeben. Ich kann 5, oder vielleicht 10 Mal während des Rittes meine Beurteilung abgeben, je nachdem welches Disziplin es ist. Ich liebe es, weil ich es als sehr effektiv empfinde und nicht ausschließlich der Gesamteindruck festgehalten wird. In der Pleasure- und Halterprüfung ist es anders, da habe ich eine ganze Gruppe und muss im direkten Vergleich beurteilen. Entspricht die Gangart dieses Pferdes eher der Perfektion oder nicht? Anspruchsvoll ist es immer. In den Gruppenprüfungen kann ich die Leute ja nicht eine halbe Stunde reiten lassen. Ich muss innerhalb von 10-15 Minuten in allen drei bzw. vier Gangarten, wenn ich noch extended Jog (verstärkter Trab) verlange, auf beiden Händen beurteilen und eine Rangfolge hinbekommen. Es ist sehr anspruchsvoll jedem Paar seinen angemessenen Rang zuzuweisen, so dass am Ende der Drittbeste auch auf dem 3. Platz und der Zehntbeste auf dem 10. Platz rangiert. Bei einer Gruppenprüfung wie beim Pleasure kann man einfach nicht alles sehen. Man hat nur zwei Augen aber vielleicht 15-20 Pferde. Man hat das Augenmerk auf einem Pferd und in diesem Moment passiert etwas bei einem anderen Pferd. Da entstehen bei den Zuschauern manchmal Fragezeichen, denn sie haben es bestimmt gesehen.
Mandoline:
Wird bei der AQHA auf eine lineare Beurteilung als Voraussetzung für die Körung verzichtet und warum?
Vreni Schmid:
Die lineare Beurteilung wird neu in der DQHA eingeführt, um das Quarterhorse durch den Zuchtrichter beurteilen zu lassen, dass der Züchter eine transparente, nachvollziehbare Beurteilung bekommt, aus der er ersehen kann, inwiefern er das Zuchtziel erreicht hat.
Mandoline:
Ist die Halterklasse als Standard für die Beurteilung eines funktionalen Exterieurs geeignet?
Vreni Schmid:
Vielleicht nicht vollumfänglich. Ich denke, dass eine Körung, da exakter ist als eine Halterklasse, in einer AQHA oder Paintprüfung.
Mandoline:
Geht Europa in Bezug auf die Halterklasse eigene Wege?
Vreni Schmid:
Nein wir haben genau dieselben Richtlinien. Nur ist es in Europa so, dass kaum einer ein reines Halterpferd hält. In Europa sind die Leute daran interessiert, ihre Pferde auch reiten zu können. In den USA gibt es riesige Halter-Klassen. Da sind Leute, die haben Freude an ihren sehr gut gefütterten, ich sag mal sehr dicken großen Pferden, die sie nur am Halfter vorstellen. Es sind sogenannte reine Halterpferde, die niemals geritten werden und für keine andere Zecke gebraucht werden. Ich habe hier in Europa in meinen ganzen 11 Jahren als Richterin noch kein Halterpferd gesehen, das nicht geritten wird.
Mandoline:
Gibt es da Unterschiede von Deutschland zur Schweiz?
Vreni Schmid:
Nein, die gibt es nicht.
Mandoline:
Bei den Quarterhorse gibt es keine Körung und keinen Leistungstest, jedes Pferd das die Vorschriften für die Abstammung erfüllt, darf für die Zucht verwendet werden, auch Hengste. Werden Hengste die keine Eigenleistungen (laut ROM) haben bzw. nicht in das Performance/ Superior Hengstbuch eingetragen sind in den USA von den Züchtern angenommen?
Vreni Schmid:
Ja, es ist kein Kriterium.
Mandoline:
Regelt das der Markt selber?
Vreni Schmid:
Ja.
Mandoline:
In D und CH wird eine Körung (lineare Beurteilung + Leistungstest) angeboten, die aber nicht verpflichtend ist. Warum hat man sich in Europa dazu entschlossen?
Vreni Schmid:
Es gibt bei uns auch Hengst- und Stutenleistungsprüfungen. Dort wird auch eine lineare Beurteilung durchgeführt. Sie ist einfach freiwillig. Ich finde es eine guten Sache, dass das gemacht wird. Ich würde es begrüßen, wenn es zur Pflicht würde. Ich denke schon, dass mit einer Leistungsprüfung, eine gewisse Rittigkeit prüfbar ist. Wenn hingegen jemand Halterpferde in einer AQHA oder Paintklasse vorstellt, geht es definitiv einfach um das Gebäude. Natürlich auch um die Manier, denn wenn das Pferd nicht stillsteht, hat es ein Problem. Aber ansonsten geht es wirklich nur darum, wie korrekt es gebaut ist. Da wird ja auch nicht 20 Minuten Zeit aufgewendet sondern lediglich eine kurze Beurteilung gemacht.
Mandoline:
Wie sieht denn so ein Leistungstest aus?
Vreni Schmid:
Es werden Hengst- und Stutenleistungsprüfungen durchgeführt. Die Pferde müssen dort gewisse Kriterien erfüllen. Sie können sich entscheiden, ob sie auf Allround geprüft werden wollen oder eher auf Reining. Sie müssen einen Parcours absolvieren und einen Mindestscore erreichen, sonst bestehen sie die Prüfung nicht.
Mandoline:
Wird die Körung von den europäischen Züchtern angenommen?
Vreni Schmid:
Das kann ich zu wenig beurteilen. Ich denke, dass zu wenig Gebrauch gemacht wird von dieser Hengst- bzw. Stutenleistungsprüfung.
Mandoline:
Was ist Ihnen wichtig in der Beurteilung der Halterklasse?
Vreni Schmid:
Mein erstes Kriterium ist das das Pferd ein ausbalanciertes Gebäude hat. Die Schulter sollte schräg und gut mit dem Widerrist verbunden sein. Ein eher kurzer Rücken und dieselbe Winkelung in der Schulter und der Hinterhand, so dass man ein gleichschenkliges Trapez einzeichnen könnte. So kann ich das Pferd mehr oder weniger in drei Teile teilen. Der vordere Teil bis zum Wiederrist der Mittelteil mit dem Rücken und dann noch der Hinterteil mit einer langen schrägen Kruppe und eine guten Hinterhand. Das sind so die wichtigsten Kriterien. Dann eine gute Oberline (Kruppe und Widerrist sind ein Level kein Senkrücken), gerade Beine und eine attraktive Bemuskelung einfach eine natürliche, sichtbar, gleichmässige Bemuskelung keine Übertriebene, wie ich vorhin bei den amerikanischen Kollegen erwähnt habe aber das haben wir hier nicht. Es ist uns auch wichtig, dass wir keine mageren Pferde haben die werden schlechter beurteilt. Eine natürliche Bemuskelung muss sein. Wir möchten feine Köpfe mit breiten Stirn und grossen runden Augen, gute Ganaschenfreiheit einen nicht zu tief angesetzten Hals und beim Stütchen den Stütchenausdruck und bei Hengst diesen geschlechtstypischen Ausdruck.
Mandoline:
Wie werden Freibergerfohlen beurteilt?
Vreni Schmid:
Ich mache bei der Beurteilung keinen Unterschied zu den Quarterfohlen. In Avenches werden die Fohlen auch den Zuchtrichtern vorgeführt, das ist ein etwas anderes Verfahren als wir das kennen. Wir möchten zum Beispiel ruhige flache Gänge. In Avenches ist das immer ein bisschen schwierig zu beurteilen, weil die Pferdchen eher gehetzt werden. Die müssen da richtig Gas geben. Wir wünschen uns gutes Untertreten und dass die Pferde die Knie nicht zu hoch heben.Wir beurteilen die Pferde normalerweise im Schritt, wenn sie auf uns zulaufen und dann im Trab um eine Kurve und das ist alles also kein Galopp. Was mir sehr wichtig ist, ist die Manier. Ich achte auf die Manier und ich achte auch auf die Manier der Mutter. Mit Manier ist ein ruhiges, angenehmes Verhalten des Pferdes, das auch gegenüber des Führers, ein freundliches Verhalten zeigt, gemeint.
Mandoline:
Worin unterscheiden sich die Quarterfohlen in der Bauart von den Freibergerfohlen? Wo sind die Gemeinsamkeiten?
Vreni Schmid:
Quarter haben eine stärkere Hinterhand und längere Kruppe. Das Quarterpferd hat eher kürzere Beine als der Freiberger aber der Freiberger hat meist den schwereren Hals.
Mandoline:
Was genau ist mit Mind gemeint und was davon spielt eine Rolle bei der Verwendung als Freizeitpferd zum Beispiel beimFreiberger?
Vreni Schmid:
Der Mind ist die Manier, wie aufmerksam ist das Pferdchen? Ist es vielleicht ängstlich? Ich möchte kein ängstliches Fohlen sondern ein neugieriges, eines das klar im Kopf ist. Beim Westernpferd ist mit Mind auch nervenstark gemeint.
Mandoline:
Wo spielt später Mind bei der Verwendung des Pferdes eine Rolle?
Vreni Schmid:
Wenn ein Pferd nicht klar im Kopf ist, wenn es nicht ruhig ist, kann ich es nicht wirklich gut gebrauchen. Wie zum Beispiel im Sport. Ich kann noch so ein super Body haben. Es nützt nichts wenn man den WOW-Effekt hat. "Was für ein hübsches, tolles Fohlen!“. Aber der Kopf macht nicht mit. Dann habe ich wohl ein schönes Fohlen aber ich kann es nicht befriedigend fördern, weil das Verhalten einfach nicht stimmt.
Mandoline:
Kann man das Verhalten beim Fohlen schon festmachen?
Vreni Schmid:
Natürlich ist das eine kurze Momentaufnahme. Es ist immer schwierig in einem so kurzen Moment, vollumfänglich alles zu erfassen. Man darf es nicht zu stark gewichten. Doch ich denke, wenn ich das Verhalten des Fohlens betrachte, dann gibt mir das einen guten Eindruck davon, ob das ein Fohlen mit gutem Mind ist. Natürlich spielt auch beim Fohlen schon die Erziehung eine Rolle. Einiges kann man trainieren. Es kann artig sein und schlussendlich doch im Mind versagen. Neugier ist wichtig,es soll keine Angst haben oder stark scheuen.Es ist keine Garantie aber ich würde nicht unbedingt eines wählen, dass schon bei der Vorstellung über die Stränge haut.
Mandoline:
Wird das Verhalten auch von der Stute weitergegeben?
Vreni Schmid:
Genau und ich denke es wird zu viel auf den Hengst geachtet. Aber die Stute prägt das Fohlen. Es ist nicht alles in den Genen. Es wird so viel weitergegeben von der Mutter. Wenn die Mutter schon nicht gut im Kopf ist, dann ist das nicht unbedingt förderlich für das Fohlen.
Mandoline:
Wie sieht ein guter Galopp aus?
Vreni Schmid:
Das Pferd muss mit der Hinterhand gut untertreten. Der Schub, die ganze Kraft muss von hinten kommen. Dafür muss die Kruppe stark genug sein. Wir möchten nicht, dass die Pferde so hoch gehoben werden, die Bewegung soll flach bleiben. Aber das natürlich auch vom Zeck ab, wofür man das Pferd nutzen will.
Mandoline:
Das heisst sie wollen keinen Schwung?
Vreni Schmid
Ja wir wollen nicht zuviel Schwung.
Mandoline:
Was unterscheidet einen guten Galopp von einem schlechten?Vreni Schmid:Ein guter Galopp ist sehr taktrein, kein Viertakt, ein klarer Dreitakt, der regelmäßig ist und auf beiden Seiten gleich große Schritt beinhaltet, keine Verkürzungen.
Mandoline:
Sie haben in den FM-Westernprüfungen auch verschiedene Freiberger beurteilt, gibt es etwas, was beim Freiberger verbessert werden müsste?
Vreni Schmid
Für unsere Verwendung heben einige die Vorderbeine zu stark.
Mandoline:
Wird in Europa dem Trend bzgl. Der Gangarten die vor allem im Pleasure aus den USA vorgegeben werden gefolgt? Im Internet waren Videos von Pleaureprüfungen unter dem Titel „the walking dead“ kürzlich der Hit.
Vreni Schmid:
Zum Glück haben wir in Europa nicht diese krassen Beispiele. Ich muss ehrlich gestehen, ich kann mit diesen Pleasure-Prüfungen in Amerika wenig anfangen. Oftmals habe ich das Gefühl alle Natürlichkeit der Gänge wurde abtrainiert. Ich meine, ich suche in einer Prüfung schon das beste Bewegerpferd. Das Pferd, dass sich am leichtesten, ruhig, gleichmässig und taktrein bewegt, mit eher wenig Schwung. Der Schwung darf nicht aus dem Hals kommen. Ohje, das sind ja auch so Bilder, die ich gar nicht gerne sehe. Da gehen leider die Meinungen der Richter auseinander. Das Ganze ist leider auch eine Industrie. Ähnlich wie bei der Halterindustrie in Amerika, wo die Halterpferde nicht geritten, sondern zu unglaublichen Kolossen gefüttert werden. So gibt es auch die große Pleasure-Industrie. Unsere Gangarten sind ganz klar definiert. Ich kann Ihnen erklären, wie ich das sehen will. Dass der Schritt ein natürlicher, flach auffußender Viertakt ist. Das Pferd muss sich gerade und korrekt bewegen. Das Pferd muss eine angemessene Schrittlänge zeigen, das ist leider oftmals auch nicht der Fall, leider. Die Schrittlänge muss zum Exterieur passen. Bei einem großen Pferd sollten die Schritte auch größer sein. Der Trab oder der Jog, soll eine weiche und raumgreifende, diagonale Zweitaktgangart sein.
Mandoline:
Wenn man einmal ein Pleasure geritten ist weiß man, dass die Prüfung an Pferd und Reiter große Ansprüche stellt.
Vreni Schmid
Es ist schade, dass gerade diese Prüfung mit so großen Vorurteilen behaftet ist. Eine Herausforderung der Prüfung ist den Takt und das Tempo beizubehalten. Es ist nicht einfach dabei ausbalanciert zu bleiben. Im Trab wird zum Beispiel auch der verstärkte Trab (extended Jog) verlang und der muss trotzdem weich bleiben. Die Tritte müssen verlängert werden. Es ist eine Gruppenprüfung, in der sich die Pferde auch gegenseitig überholen, es ist eine hohe Anforderung, dabei das Tempo, den Takt und die Balance zu behalten.
Mandoline:
Was muss man bei der Beurteilung der Gangarten eines Westernpferdes berücksichtigen? Sie haben in der vorhergehenden Frage, die Beurteilungskriterien vom Pleasure genannt, sind die Kriterien zu übertragen?
Vreni Schmid:
Ja. Der Galopp ist eine rhythmische Gangart. Wir möchten nicht das starke sondern ein leichtes Auffussen und einen klaren Dreitakt. Auch hier sollten die Galoppsprünge eine natürliche Länge haben. Bei den Galoppsprüngen, da gibt es manchmal auch Bilder, da graut es einem. Da denke ich auch, oh mein Gott hoffentlich schaut da niemand zu. Trotzdem bin ich schon in Prüfungen gestanden, da hatte ich fast nichts anderes, je nachdem wo man sich in Europa bewegt. Es gibt dort auch diese spezialisierten Pleasurepferde. Unter solchen Bedingungen finde ich es dann sehr anspruchsvoll, eine richtige Beurteilung zu finden. Die Pferde müssen sich entspannt und weich bewegen und das ist es dann oft nicht. Der Kopf soll eigentlich auch in einer entspannten Position getragen werden und zwar in allen Gangarten und das kann auch nicht entspannt sein. Es ist nicht entspannt, wenn ein Pferd seinen Kopf immer sehr hoch trägt, da drückt er wahrscheinlich den Rücken weg, aber es kann auch nicht entspannt sein, wenn er so völlig hinter der Senkrechten und zu tief kommt, das ist dann auch nicht mehr das was es sein soll.
Mandoline:
Wie unterscheidet sich Ihre Beurteilung des Exterieurs von der der Rasserichter beim Freiberger?
Vreni Schmid:
Eigentlich bin ich jedes Mal überrascht, dass wir doch die meisten Fohlen, die gut für den Westernsport geeignet sind, bei den Zuchtrichtern auch wiederfinden. Es gibt wenige die ich nicht will, die sie haben. Ich denke die Zuchtrichter haben auch andere Kriterien als ich, weil ich ja kein Wagenpferd suche. Ich suche ein reines Sportpferd, da fallen natürlich die mit den starken Hälsen und wenig Ganaschenfreiheit bei mir durch. Ich möchte sie auch nicht zu groß. Die Größe kann auch eine Rolle spielen. Denn die geeignete Größe für ein Westernpferd ist vielleicht so um 1m.50cm- 1m 55cm herum. Wir möchten ja nicht unbedingt viel größere Pferde. Der schwerere Wagentyp fällt durch.
Mandoline:
Sie haben ja erwähnt, dass sie auch auf das Verhalten des Fohlens und das Verhalten der Mutter achten, dass ist sicherlich auch ein Unterschied zu den Zuchtrichtern?
Vreni Schmid:
Ja ich denke, dass sie auch mehr Wert auf die Bewegungen legen.
Mandoline:
Die größte Kritik am Westernreiten ist die Vorderhandlastigkeit. Soll ein ideales Westernpferd bergab konstruiert sein?
Vreni Schmid
Es ist schon so, dass wir gerne ein Pferde sehen, dass flach läuft, aber nicht vorhandlastig. Wenn ein Pferd auf der Vorhand läuft, dann tritt es hinten nicht unter und das ist ein großes Kriterium. Wir wollen Pferde die hinten untertreten, der Schub muss von hinten kommen. Sie sollen nicht auf der Vorhand geritten werden. Es gibt natürlich immer auch solche, die die Pferde nicht richtig trainieren und auf der Vorhand reiten, aber das ist nicht unser Ziel, und unser Wunsch ist es definitiv auch nicht. Sie sollen eine natürliche entspannte Haltung haben, da kann der Kopf etwas höher oder etwas tiefer sein. Ich suche kein Pferd, das einen sehr schweren tief angesetzter Hals hat. Da besteht die Gefahr, dass es stark auf die Vorhand kommt. Ich würde ein solches Pferd nicht wählen, da ich das als Nachteil sehe.
Mandoline:
Wenn wir jetzt das Gebäude betrachten. Sie haben beim Halterpferd vom Trapez gesprochen, dann liegt das Pferd vom Körperbau her nicht auf der Vorhand?
Vreni Schmid:
Nein. Es gibt auch Westernpferde die zu steil in der Schulter sind, diese haben auch nicht das ideale Trapez in sich.
Mandoline:
Zusammenfassend die Unterschiede zum klassisch beurteilten Freiberger?
Vreni Schmid:
Das ist im Prinzip nochmals dieselbe Antwort. Ich als Westernrichter suche ein Pferd, das nicht zu gross ist, mit guter Behalsung und guter Ganaschenfreiheit. Die Beine die ich bis jetzt gesehen habe, sind praktisch immer sehr korrekt. Ich sehe natürlich auch immer die Elitepferde, die Finalisten in Avenches. Ich bin sehr erfreut darüber, wie korrekte und gute Beine die Freiberger haben, dass finde ich sehr, sehr schön im Gegensatz zu den Quarterhorses. Manchmal denk ich die Kruppe ist nicht gar so lang wie ich sie gerne hätte. Die Kruppe fällt manchmal etwas kurz aus. Aber ansonsten fällt mir auf, dass sie eine extrem gute Oberlinie aufweisen, das fällt mir sehr auf. Quarterfohlen sind oft hinten total überbaut. Natürlich ist das altersentsprechend, aber mir fällt es bei den Freibergern jedes Mal auf, dass sie gleichmässig wachsen, mit halbjährig, wenn sie am Final gezeigt werden noch ausgeglichen sind.
Mandoline:
Würde es Sie interessieren die dreijährigen Freiberger auch zu beurteilen?
Vreni Schmid:
Das wäre mal spannend.
Mandoline:
Ist die Reitweise mit der Rasse des Pferdes verknüpft?
Vreni Schmid:
Nein, da muss ich definitiv verneinen, das Quarterpferd ist ein überaus vielseitiges Pferd, das man in allen Bereichen einsetzen kann. Man kann springen mit ihnen, man kann Dressurreiten mit ihnen. natürlich begrenzt die Grösse die Höhe der Sprünge im Vergleich zu reinen Springpferden. Quarter können auch in anderen Disziplinen eingesetzt werden und Freibergerpferde sind meines Erachtens auch fürs Westernreiten geeignet.
Mandoline:
Was kann der klassische Reiter vom Westernreiten lernen und umgekehrt?
Vreni Schmid:
Ich denke, dass der klassisch Reiter vom Westernreiter lernen kann, das Pferd feiner an den Hilfen zu schulen. Dass er zum Beispiel nicht ständig diesen engen Zügelkontakt braucht. Mich fasziniert beim Westernreiten, wie sensibel Pferde auf die kleinsten Hilfen reagieren, beispielsweise beim einhändigen Reiten. Die Westernreiter sollten aber vom klassischen Reitern lernen ihre Beine einzusetzen. Ich stelle immer wieder mal fest, dass sie nur noch als Passagiere sitzen und ein bisschen mit dem Zügel steuern, aber die Beine vergessen. Ich bin davon überzeugt, dass es viel Bein braucht. Man sollte das Pferd an Beineinsatz gewöhnen und auch am Bein halten, das Bein anlegen aber auch nicht mit ständigem Druck arbeiten.
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