Pferdezucht und Militärpferde, Mit besonderer Berücksichtigung der schweizerischen Verhältnisse, Oberst Markwalder, Druck und Verlag von Emil Wirz, 1905
"....Eine damals stattgehabte Versammlung von einsichtigen und einflussreichen Männern und Pferdekennern aus mehreren Kantonen der Schweiz sprachen sich dann in Rücksicht der sehr minimen Fortschritte in der Pferdezucht dahin aus, dass dieselbe nur gedeihen und auf eine befriedigende Stufe gebracht werden könne, wenn die eidgenössischen und kantonalen Behörden sich der Sache annähmen. Zugleich wurde damals das englische Halbblutpferd - Hunter- als dasjenige bezeichnet, welches die wertvollsten Eigenschaften besitze, die schweizerischen Pferde wertvoller zu gestalten. Der Gedanke, für die Regeneration unserer einheimischen Pferde das englische Halbblutpferd zu benutzen, verdient alle Anerkennung. Durch zielbewusste, verständnisvolle Zuchtwahl ist das englische Halbblut von solcher Wohlgestalt und solchem Ebenmass des Körpers, verbunden mit grosser Leistungsfähigkeit, dass es für den Zug- wie für den Reitdienst gleich geeignet ist, und dem schweizerischen Pferdezüchter sowohl für den eigenen Gebrauch, als auch für den Handel die grössten Vorteile bot. Low sagt: "Das ausgebildete englische Jagdpferd ist unbestritten das schönste aus allen Varietäten der Pferderassen, die in irgend einem Land existieren. In glücklicher Körperharmonie vereinigt es mehr wie das Rennpferd (Vollblut) die Leichtigkeit der Pferde warmer Länder mit der Kraft der alten europäischen Rassen. Noch treffender sagt Markham, der erste Fachmann, der ausführlich über die Zucht und Ausbildung des Hunters schreibt: "Die Kraft des Streitrosses, die Ausdauer des Reisepferdes, die Schnelligkeit des Renners müssen sich in dem Jagdpferd mit der Brust des Karrossiers, den Knochen des Frachtgaules und dem Rücken eines Packpferdes vereinen. Und die Engländer haben dies erreicht.
Zitat: Professor J. Rychner, Tierarzneischule Bern, Bernblätter für Landwirtschaft 1866, Referate betreffend die Schweizer Pferde, Seite 10
"Viele dieser Hengste waren von unbekannter Herkunft; mehrere gingen halb durch Unfälle und Krankheiten zu Grunde nd nur verhältnsmäßig wenige erzeugten wirklich gute Fohlen. Die importierten Stuten wurden nicht von eigentlichen Züchtern, sondern meistens von Liebhabern guter und billiger Pferde erworben, entweder garn nicht, oder nur in bescheidenem Maße zur Zucht verwendet, und die besten Produkte der fremden Hengste mit diesen sowohl als mit den eineheimischen Stuten seien - wie behauptet wurde - ins Ausland verkauft, die Hengstfohlen aber, des Risikos, sowie der schwierigen Aufzucht wegen, kastriert worden.
...Die Produkte, welche mit diesen Zuchttieren, bzw. mit der Kreuzung englischer Hengste und einheimischer Stuten erzielt wurden, waren teilweise recht befriedigend, ja gut, und eine grossere Zahl derselben hätte für den Reitdienst anerkannt werden müssen. Leider wurden sie aber dem Militärdienst entzogen, weil die zumeist wohlbemittelten Privaten, die nur zum geringen Teil eigentliche Züchter waren, ihre gelungenen, selbsterzognen Produkte für sich behielten, oder zu grosse Summen forderten, und sie anderwärts, vornehmlich ins Ausland, verkauften. Ja, mancher Eigentümer importierter Zuchtstuten war es weniger um die Hebung der Pferdezucht zu tun, als auf dem erwähnten Wege billig zu einem wertvollen Pferd zu gelangen. So ging der angestrebte Zweck im Egoismus unter.
Wenn nun aber da und dort mit den englischen Halbbluthengsten nicht das erzielt wurde, was man hoffte, so lag die Ursache einerseits in der Irrationellen Aufzucht der jungen Tiere, andererseits aber darin, dass gerade die hervorragendsten Hengste für die minderwertigen inländischen Stuten zu viel Blut besassen. Mit Bezug auf irrationelle Aufzucht habe ich sinerzeit, besonders im Kanton Aargau (der einige sehr wertvolle Halbblutbeschäler besass) konstatieren können, dass die Fohlen, welche kaum der milch entwöhnt waren, Heu und schlechtes Gras, bisweilen auch Kurzfutter erhielten. Hafer wurde selten verabreicht, mussten doch die meisten Arbeitspferde solchen entbehren. Hie und da gab es dann allerdings Pferdezüchter, die ihre Fohlen auf die Weide gaben. Nicht selten wurden sie aber dort schlecht behandelt, kamen in schlechtem Zustande, ja manchmal unkenntlich wieder zurück. Sodann wurden die Fohlen viel zu früh schon zur Arbeit verwendet, im zweiten Altersjahre schon angespannt. Und wenn an auch mit ihnen im Zug anfänglich schonend umging, so wurde ihnen doch bald soviel zugemutet, wie einem volljährigen Tiere. Man freute sich sagen zu können, wie das Pferd sich schon gut halte; über den Grund der Duldsamkeit gab man sich keine Rechenschaft. Vollends im dritten Jahre wurden die Pferde wie vollentwickelte behandelt, und weil sie doch noch lebhafter waren als ältere Tiere, fiel ihnen nicht seltten noch der anstrengendere Teil der Arbeit zu."
"....das auch zu junge oder zu alte und dazu noch kümmerlich genährte und zu hart arbeitende Pferde nicht zur Zucht verwendet werden sollten, dass schliesslich auch die Stallverhältnisse und die Bewegungsgelegenheiten für die jungen Tiere von grosser Bedeutung sind, ist selbstverständlich."
"....Und wie waren denn damals viele unserer Pfedezüchter den angeführten Grundbedingungen für eine erfolgreiche Zucht bewusst? In unendlich geringem Masse. Ich kann feststellen, dass eine Auswahl der Zuchttiere (die importierten Stuten ausgenommen) nur höchst selten stattfand, es sei denn in Bezug auf die Muttertiere, indem zumeist solche verwendet wurden, welche infolge von Alter und sonstigen körperlichen Gebrrechen nicht mehr im Stande waren, befriedigendere Dienste zu leisten. Als letzte Erpressung sollte dann eine bemitleidenswerte, abgeschundene Mähre noch einige Fohlen in die Welt stellen. Und dass letztere gut auszufallen hätten, Ebenbilder ihrer Väter sein würden nahm man als ganz selbstverständlich an. Man gab sich über die Entwicklung der Tiere nicht genügend Rechenschaft, man liess die Tatsache ausser acht, dass es nicht so leicht und schnell geht, einen Tierkörper für gewisse Zwecke durch die Zucht umzuformen, man bedachte nicht, dass es hierzu Generationen braucht, dass Rückschläge in der Zucht, namentlich wenn wenig oder keine Konstanz bei den Zuchttieren vorhanden ist, leicht eintreten und dass zwischen Zeugung und der Verwendung des Zeugungsproduktes ein solcher Zeitraum liegt, dass die guten körperlichen Eigenschaften von Vater und Mutter leicht verdorben werden können."
"...Um wieder auf die Pferdezucht zurückzukommen, so hatte dieselbe durch den Import englischer Halbbluttiere keine Förderung zu verzeichnen. Entweder wurden die betreffenden Hengstfohlen, die sich, rationell aufgezogen, später zur Zucht geeignet hätten, kastriert, weil man der schwierigen Aufzucht und dem Risiko entgehen wollte, oder dann gingen durch unrichtige Aufzucht (ungeschickte Behandlung, zu reichliche oder zu mangelhafte Ernährung) gute Hengstfohlen zugrunde, oder sie degenerierten infolge zu frühzeitiger Heranziehung zur Zucht und zu harter Arbeit."
"Diese Gründe führten zur Errichtung des Hauptfohlendepots in Thun im Jahre 1874. Von ihm erhoffte man eine allmälige Verbesserung der schweizerischen Pferdeschläge für militärische und landwirtschaftliche Zwecke. Man suchte den oben angeführten Uebelständen dadurch zu begegnen, dass man Hengstfohlen von importierten Zuchttieren aufkaufte, sie im Fohlenhof rationell aufzog, um sie dann, wenn zur Züchtung geeignet, an Pferdezüchter unter der Bedingung zu veräussern die Tiere sechs Jahre lang zur Zucht zu verwenden"
"Wenn sich nun, die an den Fohlenhof geknüpften Erwartungen während der ersten Jahre erfüllten, indem derselbe einige gute Beschäler, die sich eines grossen Zuspruches erfreuten, an schweizerische Hengsthalter abgeben konnte, so nahm doch nach und nach die Nachfrage nach Vatertieren ab. Die Gründe hierfür sind einmal im Bestande des Fohlenhofes zu suchen, der nur auf 20 Tiere fixiert war und daher keine grosse Auswahl gestattete, andererseits fielen auch nicht immer alle Tiere gut aus.; man musste sie jung erwerben und täuschte sich bisweilen bei der Auswahl, was eben nicht zu vermeiden ist. Der Hauptgrund aber, der eine Prosperität des Fohlenhofes verunmöglichte, war der, dass man an einer einmal ins Auge gefassten Zuchtrichtung entweder nicht treu festhalten konnte, oder dann glaubte, derselben mit anderen Beschälern besser entsprechen zu können. Waren nicht in verhältnismäßig kurzer Zeit Erfolge gut ersichtlich, so warf man alles, was man früher für gut befunden hatte, wieder über Bord. Der Fohlenhof wurde aufgehoben. Schade war es darum nicht, denn obschon prinzipiell gewiss eine richtig gedachte Institution, erscheint sie in Rücksicht auf ihr noch wenig solides Fundament verfrüht"
Pferdezucht und Militärpferde, Mit besonderer Berücksichtigung der schweizerischen Verhältnisse, Oberst Markwalder, Druck und Verlag von Emil Wirz, 1905
Den schwersten Schlag erlitt der Fohlenhof durch den Wandel und den Anschauungen und in der Geschmacksrichtung bezüglich der Pferdezucht. Im Jahre 1879 vom 6. bis 9. September fand in Bern eine schweizerische Hengstenaustellung statt. Der Bericht des Organisationskomitees (Oberst Flückiger von Aarwangen) sagt darüber u. a. : "Von den 55 ausgestellten Zuchthengsten und Fohlen waren nur vier Exemplare einheimischer (schweizerischer) Rassen, wie Erlenbacher, Jurassier (Freiberger Schlag) - alle übrigen waren Pferde ausländischer Rassen oder Kreuzungsprodukte von solchen und gehörten verschiedenen Ländern und Typen an"
"....Preisgericht gesprochen; es hat sein bestimmtes Urteil dahin abgegeben, daß die Schweiz in ihren Pferderassen und Schlägen entschieden nicht dasjenige einheimische Zuchtmaterial besitzt, wie es unseren Bedürfnissen entspricht. Indem dasselbe aber dem Anglonormänner vor allen den Preis zuerkannte, hat es klar ausgesprochen, daß dieses Halbblutpferd sich für unsere spezifischen Verhältnisse am besten zur Verbesserung und Veredlung unserer Landesrassen qualifiziere und es sich daher empfehle, das System der Reinzucht unserer heimischen Pferdeschläge mit demjenigen der Kreuzung mittels Einführung von Deckhengsten der genannten Rasse zu vertauschen."
Dieser Bericht scheint die Stimmung, die damals die Pferdezüchter, sowie die Behörden beherrschte richtig wiedergegeben zu haben...
Zitat: Professor J. Rychner, Tierarzneischule Bern, Bernblätter für Landwirtschaft 1866, Referate betreffend die Schweizer Pferde, Seite 10
"...Mit der Auflösung des Fohlenhofes schließt der erste ungefähr zehnjährige Zeitabschnitt seit dem Eingreifen des Bundes in die Pferdezucht. Es ist bezeichnet durch die Einführung des englischen Halbblutpferdes und durch die Schaffung des Fohlenhofes."
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