Das Einsteigerpferd

September 2007

Im Juli stellten wir unseren Freiberger-Wallach Que d’Espoire auf der Pferde- und Ponyschau auf dem Fjordpferdegestüt „Gut Benningsfeld“ in Bergisch Gladbach vor. Gleichzeitig gestalteten wir einen Infostand, um die Besucher der Schau über den Freiberger zu informieren. Das Interesse war rege, eine große Zahl derer, mit denen wir ins Gespräch kamen, hatte gezielt nach Freibergern Ausschau gehalten. In den Gesprächen wurde klar, welches Bild die Öffentlichkeit vom Freiberger-Pferd hat. Zwei der Hauptthemen waren: 1. der Freiberger ist ein Anfängerpferd und 2. der Freiberger ist von Natur aus ein Therapiepferd. Auch fiel uns bei Gesprächen in der Schweiz immer wieder auf, dass bei der Beurteilung eines Pferdes die Eignung als Anfängerpferd ein Qualitätsmerkmal zu sein scheint.

Besondern mit meiner Schweizer Freundin, die seit ihrer Kindheit Freiberger reitet, seit langem auch züchtet und vor allem Freiberger für den Feldtest ausbildet, habe ich mich über diese Thematik ausgetauscht. Meine Freundin Tanja Kernen schrieb daraufhin diesen Artikel. Ich denke, dass dieser Artikel in vielen Aspekten auch für Therapiepferde gilt.

Das Einsteigerpferd

Ist der Freiberger ein Einsteigerpferd? Wann ist ein Pferd ein Einsteigerpferd? Welche Eigenschaften muss ein Pferd mitbringen, um einem Anfänger den Zugang zum Pferd zu ermöglichen? Lassen sich diese Fragen so einfach beantworten?Steht nicht vielmehr zu dieser Thematik etwas anderes im Vordergrund...

Kann ich als zukünftiger Reiter, Fahrer und/oder Pferdebesitzer meine Fähigkeiten und die meines Pferdes einschätzen und weiß ich, was ich von einem Pferd erwarte? Für welche Zwecke will ich das Pferd einsetzen? Passen meine Erwartungen und Vorstellungen von einem Pferd zu meinen Fähigkeiten und Lern- und Erkenntnisstand? Der Freiberger als Einsteigerpferd ist also ganz klar eine Definitionsfrage.

Pferd und Mensch sollten im besten Fall als Partner zusammenwachsen. So jedenfalls die Wunschvorstellung. Dabei spielt es keine Rolle, ob das Team schlussendlich sportliche Ziele verfolgt oder gemeinsam die Freizeit des Menschen gestalten. Wenn im Vorfeld Eigenschaften und Fähigkeiten eingeschätzt werden konnten, Erwartungen geklärt und realistisch angepasst wurden, steht einer Zusammenarbeit nichts mehr im Wege.

Der Freiberger bringt eine Eigenschaft mit, die in dieser Hinsicht bestechend ist. Er ist vielseitig einsetzbar. Ob Freizeit, Sportfahren (Kutschfahren, Turnierfahren oder Arbeiten im Wald und auf dem Feld) oder Reiten (Geländereiten, Wanderritte, Dressur, Gymkanas, Springen oder Western), ein Freiberger kann seinem Besitzer sehr viel bieten.

Damit ein Freiberger ein Einsteigerpferd werden kann, ist die Ausbildung im Zusammenhang mit den Voraussetzungen und dem Lern- und Leistungswillen des einzelnen Pferdes ausschlaggebend. Schwerpunkte und Ziele der Ausbildung sowie dem Pferd angepasste Ausbildungs- aber auch Ruhephasen sind in Beziehung zu den Ambitionen des Ausbilders zu setzen.

Irrvorstellungen

These: Ältere Pferde sind für einen Kauf geeigneter, junge Pferde sind noch mit vielem nicht vertraut

Es kommt bei der Auswahl eines Pferdes mit Bestimmtheit nicht auf das Alter an, sondern in erster Linie auf die Ausbildung und auf das Wesen des Pferdes. Meine Erfahrung ist, dass junge Pferde sich leicht führen lassen und auch einfacher zu handeln sind, weil sie alles einfach mitmachen und sich sehr auf den Ausbilder konzentrieren. Schwierigkeiten kommen dann auf, wenn die Basisausbildung nicht fundiert ist und das Pferd mit 5 oder 6 Jahren in sein „Flegelalter“ kommt, zu früh zu viel vom Pferd verlangt wird, wenn erst im Flegelalter 5 oder 6 Jahren mit der Ausbildung begonnen wird oder wenn die Ausbildung nicht aufbauend geplant wird. Fundierte, solide Ausbildung muss nicht immer ein Beritt sein. Einfühlsamkeit, Führungsfähigkeit und eine fürs Pferd logische Didaktik mit Konsequenzen bzw. phantasievolle Lösungsansätze helfen dem Pferd, sich auf den Menschen einzulassen.

These: originale Freiberger sind Einsteigerpferde – moderne Freiberger mit mehr Blut (eingekreuzte) brauchen eine professionelle Hand

Es gibt kein Einsteigerpferd oder eine bestimmte Linie oder Rasse, die speziell für Einsteiger geeignet ist. Vielmehr ist es das Zusammenspiel der verschiedenen Komponenten, die ich ja bereits erläutert habe.

Im Gegenteil, meine Erfahrungen - und da kann ich persönlich nur von den Quintos sprechen - sind, dass die Eigenschaften, die sportliche Freiberger (mit mehr But) mitbringen, dem Anfänger, dem weniger ambitionierten, aber auch dem erfahrenen Reiter bzw. Fahrer vieles bieten können. Diese Pferde bringen Eigenschaften wie Einfühlsamkeit, Kooperationsbereitschaft, Schwung, Trittsicherheit in allen Gangarten und eine ausgeglichene Leistungsbereitschaft mit. Sie sind extrem auf den Menschen fixiert und suchen nach dem, was der Mensch verlangt.

Kooperationsbereitschaft ist eine der wichtigsten Voraussetzungen, die ein Pferd mitbringen sollte, damit Einsteiger und Pferd einen gemeinsamen Weg antreten können. Die anderen Eigenschaften wird man später als fortgeschrittener Reiter oder Fahrer umso mehr schätzen, da diese Fähigkeiten mit einer Weiterentwicklung des Menschen mithalten können.

Eine zukünftige Pferd-Mensch-Partnerschaft hat also damit zu tun, Fähigkeiten einschätzen zu können, spezielle Voraussetzungen zu erfassen und eine realistische Zielvorstellung zu entwickeln. Berücksichtigt man alle diese Komponenten, können gemeinsame Erfahrungen eine Vertrautheit schaffen und einer gemeinsamen Zukunft steht nichts mehr im Wege.

Tanja Kernen

Nachwort:

Wir haben uns über das Thema Pferde für Anfänger viele Gedanken gemacht und dabei auf unsere Erlebnisse und Erfahrungen zurückgeblickt. Da ich selber erst seit 4 Jahren reite und inzwischen verschiedene Freibergertypen besitze, kann ich das Thema „Anfängerpferd“ aus der Sicht eines Einsteigers recht gut beleuchten. Ich denke, dass alleine das Fehlen von schwungvollen Gängen, weniger Temperament oder die Neigung, im Zweifelsfalle stehen zu bleiben noch lange kein Anfänger- oder Therapiepferd ausmachen. Sturheit ist eine Eigenschaft von Pferden, mit der man gerade als Anfänger große Schwierigkeiten bekommen kann. Darum denke ich, dass Kooperationsbereitschaft bei einem Pferd mindestens genauso wichtig ist wie die anderen, bereits genannten Eigenschaften. Auch sollte man bedenken, dass man nach der Anfangszeit noch viele gemeinsame Jahre vor sich hat.

Barbara Heim

 

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