Interview mit Fritz Schmid, festangestellter Fahrer des NPZ

Teil 2 Zuchtziele und Feldtest

1. Was zeichnet den Freiberger als Fahrpferd aus und welche Maßnahmen würden Sie ergreifen, um die Zucht in diese Richtung zu bringen?

Wir müssen bei den bewährten Charaktereigenschaften des Freibergers bleiben: Frühreife, Einfachheit des Charakters, Einfachheit der Aufzucht und der Haltung, Genügsamkeit, Vielseitigkeit und Gang. Der Freiberger ist deutlich frühreifer als andere Rassen, die Ausbildung dauert bei einigen anderen Rassen deutlich länger. Die Lernbereitschaft des Freibergers ist sehr groß.

2. Was genau meinen Sie mit Einfachheit des Charakters?

Die Brauchbarkeit in breiter Verwendung, die vielseitigen Einsatzmöglichkeiten. Ein Freiberger darf nicht wegen kleinen Sachen den Kopf verlieren. Ich meine damit auch kein uninteressiertes, teilnahmsloses Pferd. Das hat nichts damit zu tun, ob die Pferde sogenannte „Originale“ oder Kreuzungsprodukte sind. Ich halte nichts davon, bestimmte Charaktereigenschaften der einen oder der anderen Gruppe zuzuordnen. Ein Pferd sollte sich aufmerksam verhalten. Aufmerksamkeit und Ängstlichkeit sollte man unterscheiden können. Ein Pferd muss mal zwei Tage stehen können und am dritten Tag fährt man Kutsche. Heutzutage können wir unsere Pferde nicht mehr 5 Stunden am Tag beschäftigen sondern beispielweise nur eine Stunde. Die heutigen Anforderungen haben sich verändert, weil die Arbeit mit den Pferden zum Hobby geworden ist. Dieses Hobby am Rande des Arbeitsplatzes stattfindet. Das heutige Pferd ist ein Freizeitpartner und kein Arbeitspferd mehr. Das hat Auswirkungen auf die Voraussetzungen in der Haltung, aber auch auf die Eigenschaften und Verhaltensweisen, die die Pferde haben müssen. Die Verhaltensweisen des Pferdes müssen sich den Bedürfnissen und Ansprüchen des Besitzers anpassen, diese waren früher anders als heute.

Ein Pferd mit einem soliden Charakter macht in der Bedienung viel wett. Ein wirklich gutes Pferd ist leistungsbereit bei einem starken Reiter und nutzt die Situation bei einem Kind auch nicht aus.

3. Wie sieht das perfekte Exterieur eines Fahrpferdes aus?

Das Pferd sollte harmonisch gebaut sein, so kann es seine Arbeit besser verrichten. Das Exterieur seines Pferdes sollte dem Besitzer bewusst sein. Die Ansprüche an die Nutzung des Pferdes sollten sich nicht im Widerspruch zum Exterieur des Pferdes befinden. Ein Traber wird z.B. mit hohem Kopf gefahren. Das Fahren mit tief eingestelltem Kopf könnte ihm schwerfallen. Genauso kann es bei manchen Arabern problematisch sein, mit tiefem Kopf zu reiten. Manche Rassen wurden eben zu anderen Zwecken gezüchtet. Wenn ich für mich ein Fahrpferd aussuche, schaue ich als Erstes auf den Hals und die Oberlinie, bei der Winkelung der Hinterhand bin ich dann schon bereit, Kompromisse zu machen. Mir persönlich ist der Charakter sehr wichtig. Ein Pferd mit sehr gutem Exterieur muss nicht zwangsläufig leistungsbereit sein.

4. Wo wünschen Sie sich den Freiberger in 5 Jahren? Mit welchen Maßnahmen kann das erreicht werden?

Ich wünsche mir, dass sich der Freiberger nach wie vor in der Pferdewelt behauptet, seine Position vielleicht noch ausbauen kann. Dafür ist der Erhalt seiner guten Charaktereigenschaften wichtig. Guter Charakter bedeutet für mich Genügsamkeit, allgemeine Einfachheit und große Lernbereitschaft. Die Lernbereitschaft des Freibergers ist sehr groß. Um diese Eigenschaften zu erhalten, muss eine wirkliche Selektion stattfinden. Wenn die Mutterlinie über Generationen charakterlich solide gezogen wurde, hat man wenig Probleme und eine gute Basis für die Zucht. Probleme beim Freiberger entstehen durch eine instabile Stutenbasis. Deshalb muss auch bei den Stuten eine wirkliche Selektion stattfinden. Nicht nur die Hengste haben auf die Nachkommen Einfluss, die Stuten sind mindestens genauso wichtig. Oft werden Verhaltensweisen in den Stutenfamilien noch über Generationen weitergegeben. Der Einfluss der Mutter ist für mich wichtiger als der des Vaters. Meiner Meinung nach wird dem viel zu wenig Beachtung geschenkt. Die Züchter müssen sich selbst gegenüber ehrlich bleiben und sich ihrer Verantwortung bewusst sein. Im Zweifel nimmt man eine Stute eher mal aus der Zucht. Die Hengste werden intensiv beurteilt, sie unterlaufen viele Prüfungen. Beim Stationstest werden die Hengste 40 Tage intensiv auf ihre Kooperationsbereitschaft und ihr Handling getestet, die Dokumentation der Hengstfamilien ist ausführlich.

5. Was ist das Ziel des Feldtests aus Ihrer Sicht? Erfüllt der Feldtest seinen Zweck?

Am Feldtest bekommt man einen ersten Eindruck von der Grundausbildung eines Pferdes. Es wird unter dem Sattel und am Wagen vorgestellt. Neben dem Vorstellen des arbeitenden Pferdes ist die Exterieurbeurteilung ein wichtiger Bestandteil des Feldtestes. Es ist eine Zuchtprüfung. An diesem Anlass kann nicht beurteilt werden wie gut bzw. wie lange und nachhaltig das Pferd im Vorfeld gearbeitet wurde. Der Feldtest zeigt vor allem die Gangarten. Der Eindruck, der bei der Exterieurbeurteilung entsteht, deckt sich nicht zwingend mit den Fähigkeiten des arbeitenden Pferdes.

Manche Pferde zeigen bei der Exterieurbeurteilung wenig Gang, können dann am Wagen oder unter dem Sattel durch Schubkraft überzeugen. Das umgekehrte Beispiel gibt es aber auch. Manchmal bringt ein Pferd körperlich alle Voraussetzungen mit. Leistungsbereitschaft sieht man ihm nicht unbedingt an. Das richtige Maß in allem ist für mich wichtiger als alle Gänge. Leistungsbereitschaft hat nichts mit imposantem Gehabe zu tun.

6. Wie würden Sie den Verhaltenstest ergänzen?

Das Problem beim Verhaltenstest ist, dass die Inhalte geübt werden können. Ich hatte ein Pferd in Ausbildung, das während der gesamten Ausbildungszeit nicht ohne Druck über den Teppich ging. Ich bereitete den Besitzer darauf vor, dass es für diesen Teil der Prüfung eine schlechte Bewertung geben könnte. Doch am Prüfungstag ging die Stute ohne Zögern über den Teppich.

In einem anderen Prüfungselement soll das Pferd keine Reaktion auf einen sich öffnenden Schirm zeigen. Ein Pferd, dass einen Schirm nicht ansieht ist nicht normal, kann sogar gefährlich werden, da es ja keine Reaktionen zeigt, auf die man eingehen kann und anhand derer man spätere Folgen/Reaktionen absehen kann. Ein Pferd, dass ein Problem anzeigt ist auch besser einzuschätzen. Gute Einschätzbarkeit ist ein wichtiges Kriterium für ein gut auszubildendes Pferd. Ein Pferd darf in solchen Situationen natürlich nicht außer Kontrolle geraten.

Aus meiner Sicht wäre eine wichtige Ergänzung am Feldtest, Pferde im Straßenverkehr zu testen, da dort unvorhersehbare, schwierige aber alltägliche Situationen auftauchen. Der Verhaltenstest ist für mich wenig aussagekräftig, weil es einstudierte Mechanismen sind, die abgefragt werden. Für den potentiellen Käufer ist es schön zu sehen, was die Pferde schon alles können wie sie sich verhalten, aber den Charakter könnte im Straßenverkehr besser beurteilen werden, weil ein Eindruck vom Verhalten in neuen Situationen gewonnen wird.

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