Heroine: mit 3 zum Militär - mit 19 über den Gotthardpaß

  • September 2007

Markus hatte schon immer mit Pferden zu tun und so war es für ihn selbstverständlich, den Militärdienst zu Pferd zu absolvieren. In der Schweiz ist der Militärdienst anders organisiert als bei uns. Die Grundausbildung findet in ca. 17 Wochen statt, danach ist man für 10 Jahre verpflichtet, dem Militär drei Wochen im Jahr zur Verfügung zu stehen. Wenn man sich für den Dienst mit Pferd entscheidet, hat man heute nur noch eine Möglichkeit, den Train. Früher konnte man den Dienst auch bei der Kavallerie absolvieren. Während in der Kavallerie hauptsächlich Warmblüter in Dienst genommen wurden, findet man im Train bis heute Freiberger und Maultiere. Hier werden Pferd und Reiter für den Transport von Material in unwegsamem Gelände ausgebildet.

Markus hatte die Wahl, mit einem Pferd der Armee zu arbeiten oder seinen eigenen Freiberger mitzubringen. Es ist üblich, den zukünftigen Mitgliedern des Trains die Wahl zu lassen. Schließlich sollen Soldat und Pferd die nächsten 10 Jahre miteinander verbringen. Dabei entstehen tiefe Bindungen, so dass sich die Soldaten nicht selten entscheiden, ihr Pferd nach Entlassung aus der Armee mitzunehmen. Markus entschied sich, ein eigenes Pferd auszusuchen und fand Heroine v Loyal II / Judo bei einem Händler. Er verkaufte sie an die Armee, bekam aber das Vorkaufsrecht für die Zeit nach dem Dienst. Bevor die Armee das Pferd kauft, durchläuft es, ebenso wie die Rekruten, eine Musterung. Militärtierärzte und –schmiede untersuchen die Eignung fürs Militär. Dabei ist es egal, ob die Armee das Pferd von einem Händler oder vom Rekruten kauft.

Auch für die Freiberger beginnt die Zeit im Militär mit der Grundausbildung. Der sogenannte Remontenkurs dauert einen Monat. Nach dieser Zeit kommen der Rekrut und sein Pferd wieder zusammen, um während der weiteren Grundausbildung gemeinsam zu lernen, was beim Militärdienst im Gelände wichtig ist.

Heroine meisterte die Musterung und auch die Grundausbildung. Markus erzählte eine kleine Episode, in der Heroine klarmachte, dass sie nicht mit jedem Pferd angespannt werden möchte. Bei einer Übung entledigte sich das Gespann seiner Kutsche mit Hilfe einer zugeschobenen Stalltür. Heroine blieb der Sieger, sie verließ den Stall auf der Rückseite – ohne Kutsche und ohne Kollegen . . . Mit anderen Partnern war und ist sie bis heute eine Lebensversicherung an der Kutsche.

Markus fühlte sich im Train sehr wohl. Nach den 17 Wochen Ausbildung entschied er sich aber zunächst für eine weitere Ausbildung beim Militär und ging vier Wochen auf die Unteroffiziersschule. Die restlichen 17 Wochen der Ausbildung diente er als Korporal auf der Rekrutenschule ab. Heroine nahm in dieser Zeit an Futterversuchen des Militärs teil. Danach ging er wie jeder andere Soldat in seinen Beruf zurück, um für die nächsten 10 Jahre jedes Jahr drei Wochen beim Train Militärdienst zu leisten. Wie geplant ging Heroine mit ihm nach Hause und begleitete ihn jedes Jahr zu dem dreiwöchigen Dienst im Train. Diese Militäreinheiten werden oft im Winter zur Räumung wichtiger Straßen, zum Transport von militärischem Material in unwegsames Gelände und auch bei Transporten für den Schweizerischen Alpen Club eingesetzt. So ist es überhaupt erst möglich, Almen zu bewirtschaften, denn Infrastruktur ist so hoch oben eben meistens nicht vorhanden. Heu, Stroh und Hafer werden mitgenommen. Teilweise wird unter freiem Himmel oder aber in Scheunen übernachtet. Markus waren noch Übernachtungen bei 3 m Schnee im Schlafsack, aber unter freiem Himmel in Erinnerung. Nach dem Einsatz wurden zuerst die Pferde ärztlich untersucht, die Hufschmiede kamen und Geschirr wurden gereinigt. Erst dann war die medizinische Untersuchung der Soldaten dran. Für den Einsatz des Pferdes bekommt der Soldat einen Lohn, der pro Tag Einsatz gezahlt wird. Während der restlichen Zeit des Jahres ist der Soldat für das Wohlergehen des Pferdes verantwortlich und verpflichtet, das Pferd einsatzbereit zu halten.

Nach Ablauf seiner Dienstzeit im Militär behielt Markus Heroine. Sie brachte ihm einige schöne Fohlen und tat bei Rösslifahrten weiteren Dienst. Als ich Markus und seine Freundin Barbara in diesem Jahr besuchte, war ich beeindruckt von ihren inzwischen 6 Stuten und den diesjährigen Fohlen. So viele wunderschöne Freiberger habe ich bisher auf sehr wenigen anderen Höfen gesehen. Damit wird mir auch noch einmal ganz klar: Die Freibergerzucht liegt nicht nur in der Hand der großen Züchter. Viele der tollsten Freiberger habe ich auf den kleinsten Höfen gefunden, wo mit Herzblut und Begeisterung gezüchtet wird. Gerade die kleinen Züchter, die unabhängiger züchten können, sind die Basis dieser Rasse. Diese gewachsenen Strukturen sind erhaltenswert. Hier bei Markus und Barbara habe ich erleben können, wie stark die Freibergerzucht in den Familien und Traditionen verankert ist.

Im letzten Jahr verwirklichte Markus mit einem Freund einen Traum. Sie ritten mit ihren Pferden über den Gotthard. Die Tour dauerte drei Tage. Sie starteten in Ajrolo, die Pferde waren im Anhänger dorthin gereist. Am ersten Tag ging es nach Andermatt, am 2. nach Schattdorf und am dritten Tag war man in Stanz am Ziel. Markus kommt ins Schwärmen, wenn er daran zurückdenkt. Alles war dabei: Natur, unglaubliche Aussichten und Cowboyfeeling am Feuer. Abenteuerlich wurde es vor allem am Vierwaldstädter See, wo der Weg an manchen Stellen kaum so breit wie ein Pferd war, daneben ging es steil bergab. Das war nichts für schwache Nerven und nichts für Anfänger, denn wäre der Weg versperrt gewesen, hätte man kaum wenden können. Markus konnte sich jederzeit auf Heroine verlassen, egal wie schmal der Weg war und wie steil es hinunter ging. Der einzige Moment, der Markus etwas Mühe machte, war am dritten Tag, als sie die Pferde am Vierwaldstädter See auf eine Fähre verluden. Aber wie immer in all den Jahren ließ Heroine, inzwischen 19 Jahre alt, Markus nicht im Stich.

Suche nach ...