Ein Portrait des Richters Paul Rothenbüler

Feldtestrichter Paul Rothenbühler und seine Freibergerstute FabienneAls ich auf dem Hof der Familie Rothenbühler ankam, spielten die Enkelkinder auf dem Vorplatz des schönen Bauernhauses. Ein Planwagen war aufgestellt, da am Nachmittag mit den Pferden noch eine Gesellschaftsfahrt geplant war. Die Kinder knoteten mehrere Stricke aneinander und spielten Planwagenfahren. Offensichtlich wurde der Pferdevirus bei der Familie Rothenbühler an die jeweils nächste Generation weitergegeben.

Paul Rothenbühler übergab 2006 den Hof an seinen Sohn Roland Rothenbühler weiter. Sohn Roland führt mit seiner Frau zusammen die 20 Milchkühe und auch das Pferdehandwerk, Pferdeausbildung, Zucht, Sport weiter. Das war aber vorerst nicht abzusehen, erst als Roland Rothenbühler im Lehrjahr die Möglichkeit bekam sonntags, mit dem Milchwagen, eine Ausfahrt zu machen, wurde die Leidenschaft zum Pferd geweckt. Als er wieder auf den elterlichen Hof zurückkam, setzte er diese Gewohnheit mit der Freibergerstute Fabienne fort. Bei seinem ersten Fahrturnier mit dieser Stute gewann er auf anhieb. Das Turnierfieber hatte ihn gepackt, er fährt heute Promotion bis Klasse L.

Anders war es beim Vater Paul Rothenbühler, bei ihm ist das Interesse am Pferd schon früh geweckt worden. In einer Sägerei aufgewachsen, hatte er als Kind die Möglichkeit bei einem Bauern mit Freibergern in Kontakt zu kommen.

Später kam er bei der Kavallerie zu den Dragonern. Nach einer militärischen Grundausbildung, folgte in Aarau die reiterliche Ausbildung. Dan erwarb er nacheinander zwei Eidgenossen (=eigenes Pferd vom Militär). Erst die Pohlenstute Opöa, die nach einer Lahmheit zur Rente an Privatleute verkauft wurde. Dann die Schwedenstute Wohltat, die er nach der Militärzeit mit nach Hause nahm. Diese Pferde gingen mit Paul Rothenbühler auf Springturniere. Freiberger waren für die Kavallerie nicht geeignet, sie kamen im Train (Transport von Lasten) zum Einsatz. Schweizer Warmblüter wurden in der Armee kaum verwendet. Erstens waren diese viel zu teuer und zweitens konnte der Bedarf von 300-400 Pferden pro Jahr im eigenen Land nicht gedeckt werden. Um dem Militär genügend günstige Pferde zur Verfügung zu stellen, musste im Ausland Pferde ankaufen werden.

Nach der Heirat 1971 kam Paul Rothenbühler auf den Hof des Schwiegervaters. Sein Schwiegervater war Landwirt und hatte zur Bewirtschaftung des Landes Freiberger. Da das Gelände steil und hügelig ist und seine Frau auch mit den Pferden arbeiten musste, war ein Freiberger geeigneter als seine Schwedenstute. Aus diesem Grund wurde eine Freibergerstute von Domherr gekauft. Der Freibergerhengst Domherr stand bei der Züchterfamilie Minder in Huttwil zum Decken bereit und gehörte zum schweren Burgdorfer Schlag. Diese Stute wurde zum Fahren ausgebildet und absolvierte die Fahrprüfung. Paul Rothenbühler bildete sie auch selber unter dem Sattel aus. Danach wurde sie an einen Händler verkauft wie es zu dieser Zeit üblich war.

Seine erste eigene Stute Loni, eine Fuchsstute (Jury) kaufte er mit 1,5 Jahren für 4500 Fr von der Burgdorfer Genossenschaft. Die Jungpferde mussten damals schon früh reserviert werden, da die Nachfrage gross war. Bis Loni bereit zum Einfahren war, wurden noch zwei weitere Freiberger ausgebildet und wieder verkauft. Früher wurden die Stuten schon mit 1,5 Jahren eingefahren und mit 2,5 Jahre gedeckt. Loni wurde von Paul Rothenbühler ausgebildet und hatte schon immer ihre Eigenheiten. Von Loni hatte er seine ersten selbstgezogene Fohlen aus der Kombination Loni/Lorrain ging gleich nacheinander 4 Stutfohlen hervor. Dass war damals umso wichtiger, da die Stuten mehr Wert hatten. Zu dieser Zeit (ca. 1960-1980) wurden nur die Hengstfohlen aufgezogen, die man als Körungskandidaten einschätzte. Alle anderen gingen zum Schlachter, dementsprechend gab es kaum Wallache. Die Stuten wurden mit 1,5 Jahren verkauft bzw. gekauft, viele wurden dann 3-Jährig wieder an Händler verkauft. Mit Loni wurden Arbeiten auf dem Feld wie pflügen, Mist führen oder Heu wenden verrichtet. 8% vom Ackerbau mussten damals mit dem Pferd bewältigt werden, um Subventionen zu bekommen.

1991 brannte der Bauernhof ab, der Hof ging verloren, die Tiere konnten alle gerettet werden.

Nach dem Brand blieb der Familie nur noch einen Heuschober, in welchem Loni und ihr Fohlen eine Unterkunft fand. Doch die Stute starb an einer Pilzinfektion, die sie sich im Heuschober zugezogen hatte. Lonis Fohlen wurde an einen Händler verkauft, während eine Clemenceau-Stute Fabienne, die auch von Rothenbühlers ausgebildet wurde, im Stall blieb.

1992 stand das neue Bauernhaus. Bis heute lebt Fabienne bei der Familie Rothenbühler und hatte 10 Fohlen. Sie hat immer noch eine besondere Stellung in der Familie. Die Leistungen die sie bis zu ihrem 17. Lebensjahr zeigt, überzeugen genauso, wie ihre Nachzucht. Den klaren Kopf, die innere Ruhe und den Mut gibt Fabienne ihrer Nachzucht mit. Diese Eigenschaften beweisen Fabiennes Nachkommen auch in Umzügen und am 4-Spänner. Paul Rothenbühler hat die Erfahrung gemacht, dass solche Eigenschaften beim Verkauf eines Pferdes für den Käufer wichtig sind. Gerade Kunden aus Deutschland lassen sich von diesen Charaktermerkmalen überzeugen. Bei meiner Ankunft auf dem Hof der Familie, stach mir Fabienne sofort ins Auge. Die 17 Jahre sieht man Fabienne nicht an, aus dem klaren wachen Blick sprechen Erfahrung und Übersicht.

Nebst den eigenen Pferden und den Aufgaben eines Feldtestrichters engagiert sich Paul Rothenbühler noch für die Verkaufsschau Sumiswald. Mit der Verkaufsschau wollte die Veranstalter den Züchtern und Pferdeinteressierten in der Region eine Vermarktungsplattform schaffen, da durch die Abschaffung der Bundesauktionen ein Absatzmöglichkeit genommen wurde.

Früher wurden an Auktionen hohe Preise erzielt. Das Militär konnte mit der innländischen Zucht den Bedarf an Warmblütern nicht decken (s.o.) Um ein Übermaß an Importen zu verhindern und die einheimische Zucht zu stützen, wurden Einfuhrkontingente eingeführt, die die Menge der eingeführten Pferde reglementierte. Die Einkaufskontingente konnten auf den sogenannten Bundesauktionen durch den Kauf eines Freibergers erworben werden. Die Einfuhrkontingente ging mit dem Kauf eines Freibergers von dieser Auktion auf den Käufer über. Beim Verkauf bekam der Freiberger ein Stempel auf den Abstammungsschein, der ihn kennzeichnete. So konnte ein Pferd nicht 2x über die Bundesauktion verkauft werden. Bundesweit gab es eine Stelle für diese Auktionen in Wirtswil. Da die Kontingente sehr gefragt waren, wurden die Stuten hoch gehandelt. 8000 CHF und mehr war ein normaler Preis für eine 3-jährige Stute. Preise von 15000 CHF wurden nicht selten erzielt. Das Kontingent war der eigentliche Wert des Freibergers nicht das Pferd selber. Nach den Auktionen, wurden die Freiberger für 2/3 oder sogar nur für die Hälfte des gezahlten Preises weiterverkauft. Manche Händler kauften auf den Bundesauktionen gezielt für das Militär (Train) ein. Die anderen wurden an Landwirte/Züchter weiterverkauft. Private Käufer, die einen Freiberger als Freizeitpferd kaufen wollten, gab es kaum. Der Freizeitsektor entwickelte sich erst später. Als die Einfuhrkontingente abgeschafft wurden, ging die Zucht zurück. Daraufhin initiierte der Bund zur Unterstützung der Freibergerzucht Prämien. Diese zeigten Wirkung, die Zucht boomte. Als die Prämie wieder reduziert wurde (1996) ging die Zucht wieder zurück.

Es fehlte eine Verkaufsplattform. Paul Rothenbühler machte sich Gedanken wie die Lücke in der Vermarktung zu schließen sei. Zusammen mit Christoph Mosimann organisierte er eine vom Bund unabhängige Auktion in Sumiswald, deren Erfolg eher bescheiden war. Die Pferde erzielten keine Marktgerechten Preise. Die 5 Genossenschaften Burgdorf, Huttwil, Sumiswald, Oberemmental und Konolfingen unterstützten diese Initiative mit je 500 CHF Startkapital.

Mit den Erfahrungen aus der Auktion entwickelte man das Konzept einer Verkaufsschau die in Sumiswald stattfand. Diese Verkaufsschau hatte einen so großen Erfolg, dass man das Konzept beibehielt bzw. weiterentwickelte und den Genossenschaften das Startkapital zurückzahlen konnte. Die Genossenschaftspräsidenten sind Mitglieder des Organsisationskomitées, das die Verkaufsschau durchführt. Die Verkaufsschau Sumiswald hatte im April 2008 10-jähriges Jubiläum. Die Pferde werden entweder unter dem Sattel oder am Waagen vorgestellt. Paul Rothenbüler kommentiert jedes Pferd selber.

Die Faszination Pferd spielt in Paul Rothenbülers Leben immer noch eine große Rolle, er wünscht sich dass diese Faszination weitergetragen wird. Er möchte die Traditionen der Pferdezucht in der Schweiz durch die folgenden Generationen bewart wissen. Aus diesem Grund ist es wichtig junge Menschen fürs Pferd zu interessieren. Es spielt keine Rolle wodurch der Zugang zum Pferd zustande kommt. Pferd und Mensch müssen zusammenpassen. Paul Rothenbühler erzählt, dass gerade die deutsche Kundschaft fast ausschließlich am schweren Typ interessiert ist. Die meisten Kunden möchten sich die sportlichen Freiberger nicht mal ansehen. Auch bei der Farbwahl stellt Paul Rothenbühler fest, dass ausschliesslich nach braunen Freibergern gefragt wird. Über die Geschlossenheit dieser Haltung wundert er sich sehr, eigentlich sind Geschmäcker ja verschieden und jedes Pferd muß individuell beurteilt werden.

Nachdem er den Hof an seinen Sohn übergeben hat, bewarb er sich auf das Richteramt. Durch die Zeit bei den Dragonern und seine Erfahrung in der Ausbildung junger Pferde war er für dieses Amt qualifiziert. Bei der Beurteilung der jungen Pferde entscheidet er im Zweifelsfall zugunsten des Pferdes. Schliesslich handelt es sich um dreijährige, die hier beurteilt werden. Die jungen Pferde können sich noch deutlich weiterentwickeln. Er entscheidet vor allem dann fürs Pferd, wenn er die Fehler eher beim Reiter als beim Pferd sieht, das kann er durchaus unterscheiden. Im Notfall erklärt er dem Reiter noch einmal worauf es ihm ankommt. Die Zucht nimmt dadurch keinen Schaden, solange die Bewertung fair ist. Den Feldtest sieht er vor allem als Qualitätsmerkmal, der dem Freiberger einen Marktvorteil verschafft. Er bietet dem Käufer die Sicherheit, dass das Pferd zumindest die Kriterien des Feldtests erfüllt. Dabei kommt dem Verhaltenstest eine besondere Bedeutung zu. Der Feldtest erfüllt einige Kriterien einer Ausbildungsprüfung und dient durch seine objektive Beurteilung der Vermarktung. Wenn ein Pferd von Anfang an seriös ausgebildet wurde, hat der Feldtest keine Nachteile.

Die Pferde der Familie Rothenbühler werden im Herbst von der Fohlenweide geholt, werden angelernt, bekommen dann noch eine Pause, um danach vor dem Feldtest das Gelernte zu repetieren. Eine schnelle Ausbildung kann Paul Rothenbühler nicht unterstützen.

Der Feldtest lässt Rückschlüsse über den Erfolg der züchterischen Maßnahmen zu, die durchschnittlichen Leistungen einer Nachkommenschaft können beurteilt und verglichen werden. Ausreißer nach oben oder unten relativieren sich über die Anzahl der Nachkommen. Bei allem muß man berücksichtigen, dass es sich um Momentaufnahmen handelt. Eine Jungpferdeprüfung sollte für die Zucht relevant sein. Ein Pferd das im Exterieur nicht dem Zuchtziel entspricht, kann trotzdem ein hervorragendes Sport oder Freizeitpferd werden. So sind auch die Abweichungen zwischen Exterieur und Reit- bzw. Fahreignungsprüfung zu erklären. Solche Abweichungen kommen immer wieder vor. Das Gesamtresultat (zur Zeit 50% Exterieur 25% Reiten, 25% Fahren ) am Feldtest, muß dementsprechend nicht zwangsläufig etwas über die Qualitäten der Leistung eines Jungpferdes aussagen. Man muß sich schon die Mühe machen die einzelnen Aspekte zu prüfen.

Ich habe Paul Rothenbühler selber in seiner Funktion als Richter erlebt. Ich habe festgestellt, dass es ihm wichtig ist Pferd und Reiter fair zu beurteilen. Ebenso wichtig ist es ihm seine Beurteilung begründen zu können, was er im Gespräch auch gerne tut. Dabei erklärt er genau wie sich seine Bewertung zusammensetzt. Die Züchter respektieren ihn weil er sie in ihrer Arbeit unterstützt, die Kunden weil er ihnen ausführliche Informationen und objektive Beurteilungen gibt.

Als Speaker an der Verkaufsschau spürt der Zuhörer schnell, wie viel Herzblut er in die Sache steckt. Auch bei meinem Gespräch springt der Funke der Begeisterung für den Freiberger durch Paul Rothenbüler sofort über.

Tanja Kernen und Barbara Heim 24.08.08

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