Interview mit Rudi von Niederhäusern über den Deckhengst Legato

1. Wurde Legato sportlich eingesetzt?

Nein, er war lange Zeit im Jura, dort ist es nicht die Regel, die Hengste im Sport einzusetzen. Nach dem Stationstest hat er 4-jährig das Final der Promotion erreicht. Er hatte so viele Decksprünge, dass wir ihn nicht unbedingt promoten mussten.

2. Gibt es jemanden der Legato besonders betreut?

Nein eigentlich nicht. Hans-Ruedi Zuckingen war lange Deckwart und der letzte Hengsthalter in Sumiswald. Er hat sicherlich eine besondere Beziehung zu Legato. Er ist leider heute nicht da. Legato ist so ein bisschen seiner. Er hatte immer extrem Freude an dem Hengst.

3. Denken Sie, dass die doppelte Blutführung über Aladin ein Grund dafür ist, dass sich Legato so prägnant vererbt?

Die Kombination in der Blutführung ist sicher ein Grund dafür. Legato führt über Vulkain auch noch Ivoire im Stammbaum. Ivoire ist ein Vollbruder zu Que d’Espoire und Almé. Almé ist ein international anerkannter Springvererber. Er hat die Springpferdezucht in den letzten 50 Jahren mitgeprägt. Es gab Ende der 50er Anfang der 60er drei Hengste: Almé in Frankreich, Ivoire und Que d’Espoire kamen in die Schweiz. Almé hatte den Vorteil, dass er in Frankreich auf die bessere Stutenpopulation traf. Die V-Linie ist bekannt für viel Nerv, viel Engagement, es sind extreme Kämpfer, nicht immer ganz einfach, aber wenn man Verlasspferde für die Arbeit braucht, gehören sie zu den Besten.

Die Blutkombination zwischen dem Selle Francais (Ivoire) und der L-Linie (Aladin) ist sicherlich der Grund für die hervorstechenden sportlichen Attribute Legatos. Eines müssen wir allerdings sehen, es ist ein Ausnahmepferd, für Ausnahmekönner. Ich möchte nicht sagen, dass diese Pferde schwierig sind, aber sie besitzen mehr Nerv, mehr Energie, mehr Strom. Diese Pferde sind nicht mehr für jedermann geeignet und das ist auch nicht der Standardfreiberger.

4. Eric Renaud hat gesagt, Malice fasziniere ihn, da sie immer genau wisse worum es geht und mitdenkt.

Die Blutführung von Malice und Lasting ist sehr ähnlich. Über ihren Vater Legato führen sie das Blut Aladins und über ihre Mutter das Blut Qui-Saits/Que d’Espoires. Da kommen wir immer wieder auf die gleiche Blutführung über Almé zurück.

5. Können Sie uns etwas über den Deckhengst L’Aura, im Besitz des Nationalgestüts und ebenfalls ein Sohn Legatos, erzählen?

L’Aura hat den Stationstest 2005 gewonnen. Er hat relativ viel Weiß. Der Hengst kann sich bewegen und hat eigentlich alles, was ein erfolgreiches Pferd braucht. Trotzdem sind die Züchter recht zurückhaltend. Er hatte das Pech, dass er als Vier- und Fünfjähriger gesundheitliche Probleme hatte und darum nicht im Sport eingesetzt werden konnte. Das ist vielleicht auch ein Grund für die Zurückhaltung der Züchter. Trotzdem hat er eine Deckstation gefunden. Über den Sommer ist er wie sein Vater Legato in der Hengstgruppe auf der Weide.

L’Aura und Malice sind Vollgeschwister, mit der Blutführung von Aladin und Ivoire über Legato und Qui-Sait/Que d’Espoire über ihre Mutter Malaisie. Spannend ist, dass drei Teilnehmer der Einspänner-WM (Lasting, Malice und Lukas) und Deckhengst L’Aura aus dem gleichen Stall stammen, nämlich dem der Familie Frossard.

6. Ist Ihnen noch ein anderer Hengst bekannt, der so viele Nachkommen im internationalen Fahrsport hat?

Sicherlich ist Van Gogh ein Pferd, das da herankam. Väterlicherseits hat er die gleiche Blutführung, die Legato mütterlicherseits hat. Vom Körperbau und der Umsetzung in die Bewegung, fast eine Kopie, mit einem Tick mehr Stabilität im ganzen Pferd bei Van Gogh. Auf der Kopfseite war er ein bisschen labil. Er war leider der klassische Fall, ein Pferd für eine Person. Wenn du das handeln kannst, hast du das Pferd deines Lebens. Er hatte noch einen Tick mehr Strom als Legato. Bei einem Pferd mit solchen Bewegungen haust du viele Warmblüter in die Pfanne. Sei es nun Legato oder Van Gogh, es ist nicht ganz einfach, diese Pferde - mit solch enormen Dressurgängen und sportlichem Potential - so anzupaaren, dass der Körperbau auch noch stimmt. Sowohl Legato als auch Van Gogh sind nicht unbedingt Pferde mit dem harmonischsten Körperbau. Top oder Flop ist bei solchem Exterieur ein bisschen stärker ausgebaut als bei anderen Pferden, die klassisch gerahmt sind.

7. Wir reden ja jetzt eigentlich über Springblut, das scheint sich aber beim sportlichen Fahren auszuwirken. Unsere Frage dazu ist, welche körperlichen Attribute Legato für das Fahren mitbringt?

Heutzutage ist ein gutes Fahrpferd auch ein gutes Dressurpferd. Legatos Nachkommen setzten sich von Natur aus auf die Hinterhand. Sie sind ausgestattet mit einer gutgebauten Schulter mit viel Freiheit, gute Schwebephase und viel Takt. Wenn du das schon mal drin hast, brauchst du das nicht noch in hunderten von Stunden zu erarbeiten. Der Vorteil , den der Freiberger noch mitbringt, ist ein meist eher quadratisches Format. Sie sind kompakt und stark im Rücken. Lasting und Malice und auch der Vater Legato sind beim Vortraben auf dem Hof schon ein Spektakel. Selbst beim Vortraben an der Hand kommen sie so richtig aus der Schulter. Das ist vielleicht nicht typisch für den Freiberger. Aber ich denke es ist wichtig, die Vielseitigkeit des Freibergers zu zeigen. Dafür brauchen wir eigentlich in jeder Disziplin eine Sternschnuppe, auch wenn sie vielleicht nicht ganz rassetypisch sind. Diese Sternschnuppen können dann ein Wow-Feeling bei den Zuschauern auslösen. Wenn Vater und Mutter im Herdenbuch eingetragen sind, ist das Fohlen automatisch auch eingetragen und damit ein Freiberger, auch dann wenn es nicht der rassetypischste Vertreter ist. Der Freiberger hat nur eine Chance, wenn man sich dem Markt anpasst. Der Freiberger ist bereits ein sehr gutes Produkt. Ein Schritt zurück tut ihm ebenso wenig gut, wie Strömungen nachzugeben, die noch mehr Warmblut oder gar einen Quarter einkreuzen möchten.

8. Bei Thema Inzuchtkoeffizient drängt sich doch der Gedanke auf, dass man irgendwann wieder frisches Blut brauchen wird?

Das ist rein mathematisch gesehen so richtig. Wir haben neue Hilfsmittel, die uns Inzuchtwerte und Zuchtwerte für virtuelle Fohlen korreliert berechnen können. Da kann man heute schon viel helfen. Es gibt natürlich Züchter, die um jeden Preis die Linienzucht wollen. Speziell jene Züchter, die in Richtung Sport züchten, suchen immer wieder die Linien L, N und Q, hintendrein haben sie dann am liebsten noch zwei- oder dreimal V. Mit den Ns und Qs brechen wir diesen Trend der Inzucht im Moment, da sie noch relativ frisch sind. Je originaler wir werden, desto höher wird automatisch der Inzuchtgrad, weil sie seit 50 Jahren da sind und praktisch in jedem Pedigree vorkommen.

9. Ist der originale Freiberger nicht letztendlich durch wiederholtes Einkreuzen der verschiedensten Rassen entstanden?

Es wurden immer neue Rassen und neues Blut hereingebracht, je nach Bedarf und Entwicklungsstand. Ursprünglich sah er so ähnlich aus wie heute, etwas mehr Knochen, aber ein ähnlich, leichtes Pferd. Dann kamen die Bedürfnisse der Landwirtschaft. Nun brauchte man noch mehr Knochen und Masse, darum kreuzte man Belgier, Ardenner, Shire und andere Kaltblutrassen ein. Heute braucht man ein Pferd, das man reiten kann. Da kannst du mit einem 800 kg und mehr Brocken nichts mehr machen. Darum geht die Entwicklung jetzt in diese Richtung. Das ist ein ganz normales Phänomen.

Wenn man stur auf ein Erscheinungsbild züchtet, läuft man gegen eine Wand. Bei den Französischen Kaltblütern werden 95 % der Fohlen geschlachtet. Außer für die Fleischproduktion haben diese Rassen überhaupt keine Existenzberechtigung mehr. Dafür braucht man nicht zu züchten.

Ich bin seit 25 Jahren in diesem Betrieb. In jungen Jahren war ich für drei Jahre auf der Deckstation. Dort hatte ich den Deckhengst Las Vegas auf Station. In diesem Gebiet gab es Neptun Stuten. Neptun ist der Vater von Nicolo, er stand seinerzeit in Weinfelden. Damals hatten wir ganz klar die Weisung, dass Stuten mit Blut nicht von Hengsten mit Blut gedeckt werden. Darum durften wir Neptunstuten nicht mit Las Vegas decken. Das war ein no-go.

10. Es wird in letzter Zeit viel über einen homogenen Freiberger gesprochen. Bin ich dann nicht gezwungen, eingekreuztes Blut zu verankern, indem ich es immer mal wieder zusammenführe?

Das ist eben die Theorie der Linienzucht. Ich halte das für gefährlich. Ein möglichst hoch im Blut stehendes Pferd, das auf Leistung gezüchtet wird, ist nicht mehr der Freiberger. Wir geben ein falsches Zeichen, wenn wir als Zuchtverantwortliche da nicht einen Stopp setzten. Dass wir solche Pferde haben, die eine Sternschnuppenfunktion erfüllen, halte ich für extrem wichtig, aber das darf nicht der Standard werden. Ich sehe schon die Tendenz, Zuchtgebiete zu haben, in denen wir Pferde auf Rahmen und auf Knochen züchten.

11. Ich selber habe eine Quinto Stute aus einer Hendrix-Mutter gezogen. Ich möchte eigentlich nicht noch mehr Blut einzüchten, alle Hendrix Nachkommen und Verwandten scheiden auch aus. Was raten Sie mir?

Computer anwerfen! Lassen Sie sich das virtuelle Fohlen durchrechnen. Dazu brauchen wir nur die Lebensnummer und den Namen, dann schauen wir uns mal an, was da herauskommen könnte.

12. Können Sie uns die Zuchtwertschätzungen erklären?

Da gibt es die drei großen Bereiche: Weiße Abzeichen, Leistungen bei Feldtest und die lineare Beschreibung mit den Gängen an der Hand. Wichtig ist auch der Leistungsbereich. Am meisten beeinflussen aber immer noch die Fohlenschauen die Deckzahlen, ein schönes Fohlen beeindruckt immer noch am meisten.

13. Die Professionalisierung der Freibergerszene birgt aber doch auch die Gefahr, zu sehr in Richtung Sport zu gehen?

Das muss nicht sein. Das hängt mit der Ausbildung unserer Richter zusammen. Unsere Richter sollten das pferdetechnische Knowhow haben. Die Ruhe und die Losgelassenheit sollten bewertet werden und nicht ausschließlich ein energisches Übertreten, wie das vielleicht beim Warmblut gemacht wird. Da müssen wir sagen: Stopp, das ist die falsche Sichtweise. Der Schritt sollte wohl raumgreifend sein, aber vor allem losgelassen und ruhig. Wir müssen die Richter dort bilden, damit nicht die elektrischen, schon fast aufgerollten, mit viel Spannung vorgestellten Pferde die besten Noten machen. Solange solche Pferde gut bewertet werden, kommen die Züchter auch mit solchen Pferden.

Der Bereich Leistung bei den Zuchtwertschätzungen gibt uns schon Hinweise darauf, ob ein Pferd gute Reiteignung und Fahreignung mitbringt, der lässt sich biegen, der geht schön aufgerichtet, der ist leicht im Genick, fein im Maul.

Einspannen und Anfahren sind schon Sache des Charakters. Die Fahreignung ebenso wie die Durchlässigkeit sind ganz stark im Bezug auf den Körperbau und das Interieur. Macht der mit? Will der? Wir müssen ganz klar sehen: Je sportlicher sich ein Pferd zeigt, desto bessere Zuchtwertschätzungen hat es in diesem Bereich. In der Regel können die ganz massig gebauten, mit steiler Schulter, extrem kurzem Rücken und massiven Hälsen sich nicht so bewegen, dass sie in den sportlichen Attributen hoch beurteilt werden. Diese Bewertungen liegen bei Legato alle im Überdurchschnittlichen Bereich.

14. Wie kommen diese Zahlen zustande?

Erstens die Prüfung des Pferdes selber, die Eigenschaften und Resultate aller eigenen Nachkommen und der Nachkommen der Vorfahren. Je mehr Nachkommen ein Pferd hat, desto sicherer ist die Voraussage. Bei Legato sieht man, dass der Bereich der sportlichen Attribute sehr gut ist.

15. Gibt es Korrekturfaktoren für die Zuchtwerte?

Die Grundlage für die Korrekturfaktoren ist in erster Linie die Stutenbasis.

16. Diese Zahlen liefern sicherlich gute Hinweise, aber können sie das eigene Gefühl ersetzen?

Das ist das Gute an der Freibergerszene, die Züchter orientieren sich an ihrem Gefühl.

Die Hengste, die die besten Deckzahlen haben, sind diejenigen, die mit drei Jahren in einer Box verschwinden. Diese Hengste siehst du nie. Aber die machen auch keine Fehler. Wenn einer von unseren Dreijährigen am ersten Turnier einen Fehler macht, er einen Schritt rückwärts geht oder auf den Landen sitzt, kannst du ihn kastrieren, der ist kaputt, Game over, da kommt keiner mehr zum Decken. Bei den Hengsten, die du nie siehst, dauert es ein paar Jahre bis man feststellt, dass die Nachkommen vielleicht nicht die Einfachsten sind.

17. Ist es ein Nachteil, dass es in der Freibergerszene verschiedene Strömungen gibt?

Der Verband muss rechts und links außen einen Rahmen setzen. Gehen wir in die extrem sportliche oder in die extrem schwere Richtung? Der Verband muss in beiden Richtungen ganz klare Grenzen setzen; die Sternschnuppen sollten nicht zum Zuchtziel werden, dürfen aber auch nicht ignoriert werden. Beide Typen müssen gleichwertig nebeneinander präsentiert werden.

18. Gibt es einen Hengst der Ihnen besonders am Herzen liegt?

Das ist natürlich Lambswool. Er ist ein Pferd mit extrem hoher Lernbereitschaft. Er will einfach immer mitmachen. Er hat genau das richtige Maß an Energie, ist cool. Er kann an einem Tag wie eine Kuh irgendwo herumstehen und am anderen Tag kannst du einen Ritt machen. Man braucht ihn nie vorwärts treiben. Er hat extrem viel Qualität, dazu kommt, dass er ein toller Kumpel ist. Man möchte ihn am liebsten mit in die Küche nehmen. Er ist ein Familientyp, seine Herde liegt ihm schon am Herzen.

19. Hatten Pferde schon immer eine Bedeutung in Ihrem Leben?

Ja, aber das wurde durch ein schlechtes Erlebnis mit 7 oder 8 Jahren radikal abgestellt.

20. Ist das auch das Erlebnis, an das sie sich am wenigsten gerne erinnern?

Ja, auf jeden Fall. Ich bin auf einem Bauernhof geboren. Aus familiären Gründen bin ich in der Stadt aufgewachsen, ab vierjährig. Aber der Bezug zum Bauernhof meiner Großeltern war immer da, ich verbrachte fast jede freie Minute dort. Der Bruder meines Vaters war Kavallerist und hatte zwei Pferde. Er schickte mich runter auf die Weide das Pferd holen. Ich renne los wie irre und der 1m82cm Gaul galoppiert voll auf mich los, wahrscheinlich gar nicht aggressiv. Ich bin hinter einen Baum und das war es dann erst mal.

21. Was interessiert Sie besonders am Freiberger?

Die Bodenständigkeit, das mit der Erde Verbundene. Das Bauernpferd, ich bin von der Basis und der Ausbildung her ja auch Bauer. Daneben ist er eben auch das optimale Pferd für 95 % der reitenden Bevölkerung, weil er sehr fehlerresistent ist. Auf einem Freiberger kannst du den größten Blödsinn machen und er ist immer noch nett zu dir.

In der Zukunft werden wir noch mehr das Problem haben, dass es bei den Pferdeleuten immer weniger Kompetenz geben wird und da braucht man fehlerresistente Pferde. Je mehr Blut und je mehr Nerv die Pferde haben, desto mehr Unfälle wird es geben. In diese Richtung soll der Freiberger das Rad nicht mit drehen.

22. Wie kamen Sie zum Nationalgestüt?

21-jährig habe ich ein Inserat gesehen, ich habe damals gar nicht gewusst, wo Avenches ist und dann noch Französisch? Aber voilà, da bin ich!

23. Sie haben das Nationalgestüt ja auch in sehr schwierigen Zeiten unterstützt. Was interessiert Sie an dieser Aufgabe?

Ein großer Bereich ist das Freibergerpferd, alle Arbeiten, die wir in diesem Bereich machen. Sei es mit den Hengsten oder Beratung für den Verband. Das Mitgestalten der Rasse ist für mich ein sehr wichtiger Punkt. Der Kontakt mit den Menschen im Betrieb und vor allem Events wie der Marché Concours oder die Körung, Stationstest, der Kundenkontakt ist mir auch sehr wichtig und gefällt mir sehr gut. Die Einzigartigkeit meines Jobs. Kein Tag wie der andere.

24. Ist es ein Traumjob?

Ja auf jeden Fall.

25. Wie unterscheiden sich Ihre Aufgaben heute von den Aufgaben, die Sie früher hatten? Hat die schwierige Zeit, durch die Sie das Nationalgestüt begleitet haben, Ihre Aufgaben verändert?

Ich denke es hat die Arbeit an und für sich nicht geändert. Es hat die Sensibilität für die Kommunikation verändert. Ich bin heute viel sensibler dafür, was und wie wir kommunizieren. Das machen wir immer noch nicht gut genug. Da gehen wir immer noch zu klassisch und vor allem zu passiv vor. Wir müssen offensiver werden. Wir unterschätzen die Rolle unseres Betriebes und was wir für eine Wirkung in der Pferdewelt und der breiten Bevölkerung haben könnten. Wir müssen offensiver vorgehen und viel mehr auf den Tisch klopfen. Dass wir das noch zu wenig tun, erklärt sich aus unserer Geschichte. Wir sind ein Bundesbetrieb, daher rührt immer noch unser Gefühl, dass wir uns still halten und nicht offensiv Position beziehen sollten. Das müssen wir überdenken. Wir müssen in einem positiven Sinne aggressiv auf dem Markt auftreten. Unsere Rolle als Brückenbauer zwischen Stadt und Land müssen wir stärker wahrnehmen.

Es ist schon lange die Rede davon, dass die großen Anlässe für M. und Mme Steuerzahler, wie Familientag oder „Donnerstags am Gestüt“ nicht unsere Aufgabe sei. Aber ich denke, dass genau diese Anlässe extrem wichtig sind, um zu zeigen, dass Pferde kein Luxusgut sind und nicht nur für die weißen Turnierhosen und roten Jacken und die großen Lastwagen stehen, sondern dass das Pferd ein bomben Freizeitpartner für die breite Bevölkerung ist und für M und Mme Toutlemonde zugänglich machen.

Seit 10 Jahren bauen wir den Betrieb um, zum Glück! Vorher war es ein Hengstdepot. Jetzt haben wir die Bereiche Forschung und Ausbildung sehr ausgebaut. Wir arbeiten für die Pferdebranche und da nicht nur für die Zucht, ein Beispiel: die Ethiktagung. Leider werden diese Bereiche von den Leuten kaum wahrgenommen, obwohl wir das immer wieder kommunizieren. Der Zuchtbereich ist heute noch ca. 30 %. Weder die breite Bevölkerung noch die Pferdeleute nehmen das wahr. Wir sind und bleiben das Gestüt, wir haben Hengste und arbeiten mit diesen Punkt. Das hat mich lange genervt, aber heute nach dem letzten Jahr bin ich zu einem bestimmten Punkt froh, weil auch das Parlament zu einem Nationalgestüt ja gesagt hat. Ich bin mir sicher, dass vielleicht nicht die Administration, aber die Parlamentarier zu unseren Veranstaltungen wie „Donnerstags im Gestüt“ oder die Körungen und Stallungen voll mit Pferden ja gesagt haben, selbstverständlich auch zu unserem Leistungsauftrag, aber vor allem zu dem Bild, das sie von uns haben.

26. An der Internetpräsenz hat sich im letzten Jahr etwas verändert?

Ja, aber es besteht noch einen Handlungsbedarf. Im Speziellen mit den Pferden sind wir viel zu wenig präsent. Bis du zum Hengst XY kommst, musst du viel zu lange suchen. Auch die News, die kommen nicht rüber. Da müssen wir ein bisschen offensiver werden. Zum Beispiel: Hengst XY war dort oder nächste Woche starten wir dort. Das ist viel Arbeit, aber das muss einfach sein.

27. Ist es eine Ihrer Zielsetzungen, den Auftritt und die Kommunikation nach Außen zu verbessern?

Ja, auf jeden Fall. Wir machen diese Arbeit für das Freibergerpferd. Ich persönlich bin gegen dieses soziale Networking, aber ich komme nicht darum herum. Lambswool muss doch bei Facebook sein. Die Zeit, die das in Anspruch nimmt, ist natürlich ein Problem.

In Foren würde ich schlicht weg nicht mitmachen. Wichtig ist, dass wir informativ und offensiver sind und die Leute mehr abholen. Wir müssen sie mit Infos zudecken, ein bisschen bombardieren.

28. Was wünschen Sie sich für die Freibergerzucht, jetzt aktuell? Was würde die Freibergerzucht weiterbringen?

Das ist eigentlich eine einfache Frage, es wäre auch eine einfache Antwort. Man muss nur gut aufpassen, wie man es formuliert, dass es nicht falsch rüberkommt. Der Zuchtverband existiert jetzt seit gut 10 Jahren, es gibt ihn erst seit 1998, vorher war die Freibergerzucht Bundesaufgabe. Der Verband hat eine gute Aufbauarbeit gemacht, aber jetzt ist es höchste Zeit, das Ganze mal stark zu schütteln und neu aufzubauen. Ich denke der Verband muss die Spielregeln für die Zucht ganz klar vorgeben, aber sie sind nicht ganz so klar, diese Spielregeln. Vor allem die Strukturen des Verbandes lassen nicht zu, dass professionell gearbeitet werden kann. Ein Beispiel: Solange man bei einem Verband, Rassenrichter , Vorstandsmitglied und andere Posten nicht nach Qualifikation, sondern nach Regionenzugehörigkeit selektioniert, kann das Ding nicht funktionieren. Die laufen stark Gefahr, dass sie sich selber so stark beschneiden, dass sie nur noch Durchschnitt sind. Es ist nicht gut, wenn man die Bandbreite immer weiter verringert, und die Grenzen rechts und links immer enger setzt. Aber ich hoffe, dass die Zeichen der Zeit im Verband erkannt wurden.

29. Welche Eigenschaften des Freibergers müssten in Ihren Augen unbedingt erhalten bleiben?

Kopf, brain, diese Gutmütigkeit und diese Fehlertoleranz, die ist auf Teufel komm raus zu erhalten, das ist absolut egal, was das Tier für eine Farbe hat, ob der jetzt bewegen kann wie ein Legato oder ob das ein eher etwas klassischer Typ ist wie ein Damiano. Das ist alles zweitrangig. Das muss um jeden Preis erhalten werden, weil es wirklich einmalig ist. Das kriegen wir nicht so schnell wieder rein. Es gibt sehr viele Freizeitrassen aber nicht in dieser Breite und in dieser Sicherheit der Fehlertoleranz. Es gibt schon Rassen, da sind dann alle wirklich cool und peace und happy, aber dann hast du das Gefühl, die sind alle vollgekifft.

30. Es gibt keine Planungen bz. neuer Einkreuzungen?

Im Moment ist ein mehr Blut reinnehmen kein Thema. Das kriegen wir zucht- und agrarpolitisch nicht durch. Der Geldgeber, also das Bundesamt für Landwirtschaft, hat auch eine gewisse Vorstellung. Obwohl sich die Politik, also die Administration da nicht einmischen darf, wenn der Verband bestimmt, sie wollen, macht sich das aus Sicht der Erhaltung der Bio Diversität natürlich nicht unbedingt so schick. Der Freiberger wird speziell unterstützt durch den Bund, weil er die einzige originale und genetisch schweizerische Rasse ist. Deshalb stehen uns hier auch so viele Ressourcen für die Freibergerzucht zur Verfügung. Man muss die Blutgeschichte einfach auseinander nehmen, die Prozente auf dem Abstammungsschein sollte man streichen, so schnell wie möglich. Es ist eine rein mathematische Größe. Der 1. 1. 1950 ist eine zufällig gewählter Zeitpunkt. Die Jurastute Fauvette war nicht das Produkt einer zugelassenen Zucht, da sie Tochter eines Warmblutvaters war. Wäre Fauvette 1949 geboren, stände auf ihrem Abstammungsschein ein Fremdblutanteil von 0 %. Wäre sie 1951 geboren, zählt das als 50 % Fremdblut. Das hat mit dem Pferd, das da steht, nichts zu tun. All die Hendrix mit 1,56 %, Havane und Kompanie, das sind ja Blutkatzen. Da musst du nie treiben, die gehen ab wie Schmitzkatze. Im Vergleich dazu haben wir einen Nestor mit 50 %, der ist dann richtig ruhig dagegen. Mit dem Fremdblutanteil macht man nur die Kunden verrückt. Aus diesem Grund bin ich der Meinung, dass man sich die Prozente gar nicht anschauen sollte, das hat nur negativen Einfluss. Schaut das Pferd! Sitzt drauf, dann siehst und fühlst du das Blut. In der Zucht sollten wir aufpassen, dass man nicht Blut mit Blut zusammenführt, das ist für mich dann schnell mal zuviel. Was auf dem Abstammungsschein steht, sollte nicht im Vordergrund stehen. So kannst du natürlich ganz einfach einen Fremdblutanteil ausrechnen und mit einer Zahl belegen und mit dem Finger darauf zeigen. Es ist viel schwieriger, das Pferd selber zu beschreiben, beschreib doch mal was du fühlst wenn, du drauf sitzt. Was ist der Einfluss des Blutes und wo ist genug und wo ist zuviel? Ein Profireiter wie der Markus Graf, der reitet seit 20 Jahren hoch im Blut stehende Dressurpferde, der weiß von was ich spreche. Aber Egon Normalverbraucher und der zukünftigen Freibergerkunde, der weiß nicht, wovon ich spreche. Darum haben wir Züchter, im Speziellen wir Hengsthalter, die Verantwortung, extrem aufzupassen, eventuell auch etwas zurückzunehmen, was falsch läuft.

31. Kann man einen Hengst aus der Zucht nehmen?

Das kann ich nur, wenn ich Staatsgestüt bin und wenn es mir wichtiger ist, nicht in vier Jahren 200 durchgeknallte Nachkommen zu haben. Durch eine Fehlinvestition kann ich leicht 30.000 Fr in den Sand setzen. Als privater Hengsthalter kann ich mir das nicht leisten.

32. Ist die gute Gesundheit des Freibergers ein gutes Verkaufsargument?

Das interessiert leider keinen Menschen. Obwohl die tierärztlichen Investitionen beim Freiberger sicher mit Abstand die tiefsten sind. Wenn ich ein betriebswirtschaftlich orientierter Züchter bin, hat das auch seine schwierige Seite, weil es weniger schnell einen neuen Gaul braucht. Das müsste man wissenschaftlich, also betriebswissenschaftlich, mal auseinandernehmen. Ich kann als Wirtschaftsunternehmen doch eigentlich recht froh sein, wenn ich eine Population habe, die mit 6-jährig im Durchschnitt used ist. kann ich doppelt so viele Tiere produzieren, das ist auch eine Sichtweise, wenn auch nicht meine! Beim Freiberger ist es genau das Gegenteil. Ich denke das ist neben der Kopfgeschichte, die ich erwähnt habe, ein weiterer Faktor, der um jeden Preis erhalten werden muss. Durch Alsacien haben wir natürlich serienweise Strahlbeinerkrankungen in die Freibergerpopulation reinbekommen.

33. Ist es nach wie vor so, dass Nachkommen der Alsacien-Linie Strahlbeinlahmheiten vererben?

Nein da haben wir jetzt wirklich aufgeräumt. Ich kann mich nicht erinnern, dass z. B. einer wegen Strahlbeinlahmheit bei der Hengstselektion rausgeflogen ist,

34. Das steht ja auch in der Broschüre des Herrn Graber, dass diese Linie ein Strahlbeinproblem hat:

Ich möchte nicht ausschließen, dass es auch mal ein strahlbeinlahmes Pferd gegeben hat, aber so dass es noch wirklich in der Masse feststellbar ist und jetzt als Phänomen auf ein Pferd abgefärbt hat, das ist nicht der Fall

35. Wo ist der Freiberger in 10 Jahren?

Sehr gute Frage. Er hat sich als Freizeitpferd etabliert. Die Schlachtquote der Fohlen, vor 20 Jahren war sie bei 90 %, heute ist sie noch bei 40 %. Diese Quote braucht man für die Selektion, denn wir wollen ja auch selektieren. Wir wollen nicht jedes Pferd aufziehen. Er hat sich europaweit etabliert. Vor allem ist die Zucht europaweit so organisiert, dass man sich am Verband in Avenches orientiert. Avenches soll den Ton angeben. Die besten Freiberger gibt’s nur in der Schweiz, auch wenn es weltweit 20.00 Zuchtstuten gibt. Die besten 2500 bis 3000 Zuchtstuten sind in der Schweiz. Das wäre die optimale Version.

36. Und das Horrorszenario, ist es das genaue Gegenteil? Kann ich das einfach umdrehen?

Ja das Horrorszenario ist, dass die europäischen Züchter, speziell die deutschen Züchter ihr Zuchtknowhow, den Vorsprung in der Vermarktung so nutzen, dass die Schweizer nur noch lange, lange nachschauen können. Die Gefahr ist ganz groß.

37. Weshalb kann man bei den Hengsten keine Riegel vorschieben, wie z. B. bei den PREs? Zum Beispiel, dass nur in der Schweiz gekörte Hengste anerkannt werden?

Das ist ja auch so. Es wird aber nicht so kommuniziert. Meiner Meinung nach ist es kein Problem zuchttaugliche Pferde zu exportieren, solange die sehr guten hier bleiben. Das bedeutet: die durchschnittlichen haben ihren Preis und die ganz guten sind nicht zu bezahlen. Zurzeit bezahlt man bei einem ganz guten Fohlen 100 Fr. mehr und 500 Fr beim Dreijährigen. Eine top dreijährige Stute müsste 25.000 Fr kosten und nicht 8.000 Fr. Ein Hengst muss 100.000 Fr kosten und nicht 20.000 Fr. Ich sage immer, solange wir nur Masttierdecktaxe haben, können wir auch nur Masttierpreise lösen. Eine Decktaxe müsste 500 Fr kosten.

38. Ist dann die Vermittlung und der Verkauf von Schlachtfohlen nach Deutschland nicht kontraproduktiv?

Ne, weil das zu einem unterdurchschnittlichen Standard im Ausland führt und nicht zu einem guten Zuchtstandard.

39. Das heißt, der Schlachtfohlenexport ist im Gegenteil sogar gut für Schweizer Züchter?

Ne, es macht nichts. Wenn die ganz guten Hengste nach Deutschland gehen, dann kriegen wir blitzschnell ein Riesenproblem.

40. Und die Zuchtstuten?

Ja das wird sich aber über den Preis regeln. Das Problem, das wir haben, ist vor allem die Vermarktung. Wir haben gute Pferde, wir vermarkten sie nur noch nicht gut genug. Was die Deutschen vor allem können, ist vermarkten. Die haben zum Glück noch nicht die ganz guten Pferde, aber vermarkten können sie sie gut. Worst case wäre jetzt, dass sie auch noch die ganz guten Pferde haben. In Kombination mit den Fähigkeiten zur Vermarktung ist dann das Zentrum der Zucht ganz schnell an einem anderen Ort und nicht mehr hier in der Schweiz. Wir müssen einfach die guten Pferde hier behalten können. Wir müssen die Züchter soweit sensibilisieren, dass sie die besten Pferde nicht verkaufen. Wie es bei der Rindviehzucht auch ist, die besten Kühe bleiben im Stall. Bis jetzt verkaufen sie zum Glück die besten Zuchtstuten auch nicht.

41. Aber ist es nicht auch so, dass der Freiberger nicht nur ein rein genetisches Produkt ist, sondern eben auch ein Produkt der Umstände der Aufzucht? So gerade hier im Berner Umland ist es ja schon so, dass die Fohlen auch viel angebunden werden und vielleicht auch mal neben der Kutsche herlaufen usw. einfach schon viel gewöhnt sind. Ist das nicht auch etwas, was den Freiberger prägt? Viele Dinge kann man nicht einfach so mitnehmen, Standortbedingungen kann man ja nicht loslösen. Man kann zwar genetisches Material mitnehmen aber man kann ja nicht ein Standort exportieren oder importieren. Ebenso wie das Knowhow der Züchter, die zum Teil seit Generationen Freiberger züchten, reiten und fahren.

Was ist denn das größte Problem beim Freiberger? Das ist das reiterliche KnowHow der Freibergerzüchter, es ist nicht so fundiert wie beim Fahren. Der Freibergerzüchter in der Schweiz hat ein oder zwei Stuten nebenbei mitlaufen. Die laufen mit und werden gedeckt. Viele machen sich Gedanken, viele aber auch nicht! Zum Glück nimmt der Teil, der sich keine Gedanken macht ab. Man muss Freude daran haben, um Zeit und Geld zu investieren. Ich habe aber das Gefühl, wir sprechen jetzt vom Geld verdienen, dass es einen Betriebszweig gibt, der laufen kann. Wenn wir das mal gründlich durchrechnen, was ein Fohlen kostet, egal ob Freiberger oder was auch immer, ist das niemals kostendeckend, vom Verdienen wollen wir schon gar nicht sprechen. Wenn ein Bauer eine Stute mitlaufen hat, ist das ein Hobby. Er ist stolz, wenn er eine hübsche Stute hat, oder sogar mal einen Hengst in Glovelier. Dafür gibt er Geld aus, das er am Ende verliert. Wenn er das Pferd für 8.000 verkauft und es vielleicht 6 Wochen zur Feldtestvorbereitung für 2500 in Avenches hatte, hat er zwar das Gefühl, das ist sehr gut; er hat ja 5500 verdient, das ist mehr als ein Kalb bringt, aber im Prinzip hat er Geld verloren. Das Ziel müsste es ja eigentlich sein, dass er nicht noch die 2500 fürs Einfahren oder Einreiten in Avenches abladen muss, sondern dass er das selber machen kann. Wenn jemand wie Leo Risch privat einen Betrieb aufbaut und seine Pferde fährt und reitet, sie ausbildet und vermarktet, er auch noch die Persönlichkeit mitbringt, da könnte das ganze funktionieren, das die Wertschöpfung dann bei ihm bleibt.

Nehmen wir das Beispiel Warmblut, ich kenne einen Züchter, der voll auf die Pferdezucht setzt. Der hat nicht Konkurs gemacht, aber der hat einen guten Sponsor, der jedes Jahr noch 100.000 reinsteckt. Alle anderen Warmblutzüchter machen das einfach nur zum Hobby. Du kannst nie und nimmer einen Franken rausnehmen, das ist leider so in der Pferdezucht. Wir müssen die Züchter professionalisieren, dass sie die Mittel richtig einsetzten können, dass wir die Richter so schulen können, dass sie die wichtigen Dinge beim Freiberger richtig bewerten können. Was ist der freibergertypische richtig gute Schritt? Ich denke, solche Sachen bringen die Zucht richtig vorwärts.

42. Aber im Moment wird schwerpunktmäßig dieser Basis-Homogene-Fremdblutanteil kommuniziert.

Das ist wirklich interessant, die Frage, warum springt die Masse der interessierten auf diesen Zug auf. Warum läuft alles dieser Prozentgeschichte hinterher? Weil es eben einfach ist und messbar. Man darf auch diese politische Geschichte nicht ganz vergessen. Der Verband steht unter einem gewissen Druck, weil alles, was mit dieser BioDiversität zu tun hat, diesen gewissen musealen Touch hat. Diese Geschichte mit den 0,00 %.

43. Wo ist das Nationalgestüt in 10 Jahren?

Es ist örtlich gesehen immer noch in Avenches, d. h. es gibt es noch. Mit der Integration in die landwirtschaftliche Forschung. Wir sind nicht mehr ein eigenständiger Betrieb, wir werden von Faktoren abhängig sein, die weit weg von jeglichen züchterischen Gedanken sind, wenn in der Landwirtschaft breit irgendwelche Probleme auftauchen, die mehr Forschungsbedarf haben. Es kann durchaus sein, dass wenn der Pferdebereich nicht mehr so aktuell ist, dort ein paar Millionen gestrichen werden. Es wird Einflussfaktoren geben, für die wir nichts können und gegen die wir nichts ausrichten können. Da wir jetzt in einen reinen Forschungsbetrieb integriert werden, wird Forschung einen anderen Stellenwert bekommen und auch einen anderen finanziellen Hintergrund. Also werden wir immer noch 60 Zuchthengste haben? Das ist jetzt alles rein hypothetisch, aber es gibt im Moment eine großangelegte Umfrage bei den Stakeholder/Anspruchsgruppen darüber, wie sich die Züchter das Nationalgestüt vorstellen und auf welche Werte sie setzen. Das wird einen nahen Einfluss auf die Festlegung der neuen Strategie diesen Herbst haben. Der Leistungsauftrag 2012/2013 der steht und ist sozusagen identisch wie es die letzten 12 Jahre war. Aber 2013-2017 gibt es dann wieder einen 4-jährigen Leistungsauftrag, wie der dann ausschaut werden wir sehen.

44. Kommen zum Beispiel die Abstammungsuntersuchungen aus diesem Grunde zustande, weil das jetzt hier in ein Forschungsprojekt integriert ist?

Ja, das hat einen direkten Zusammenhang, aber das ist ja eine der guten Geschichten, weil es dafür Pferde braucht. Ich persönlich hoffe natürlich ganz stark, dass der Freiberger eines der wichtigen Hauptziele für das Nationalgestüt bleibt. Wenn wir diese Aufgabe verlieren, heißt das automatisch, dass es ganz radikale Veränderungen im Betrieb mit sich bringt. Warum noch 60 Hengste halten, wenn wir nicht mehr dazu beitragen sollen, die Rasse zu erhalten. Außerdem ist es ja dann kein Nationalgestüt mehr.

45. Dann müssen wir darauf hoffen, dass sich die Zusammenarbeit zwischen dem Verband, den Züchtern und dem Nationalgestüt sowie der breiten Öffentlichkeit weiterentwickelt.

Die Rolle des Nationalgestüts ist neu zu definieren. Ein sich Festbeißen am Status quo wäre tödlich für uns, für den Verband als auch für die Rasse an sich. Das Gestüt muss sich entwickeln, sonst läuft es an die Wand. Sich entwickeln heißt auch, Dinge loszulassen, um Neues machen zu können. Man kann sich auch fragen, ob tatsächlich so viele Hengste dastehen müssen, oder gibt es vielleicht auch Dinge im Forschungsbereich, wenn wir jetzt die Kopfgeschichte nochmal nach vorne nehmen. Der Verhaltenstest heute ist schon mal ein sehr guter Anfang, aber er ist noch nicht sicher genug und auch noch nicht genug kommuniziert. Wenn wir dort ein Instrument bekommen, das zu 95 % dicht wäre. Das wäre der absolute Hammer.

46. Der Verhaltenstest ist so wie er zurzeit ist, nicht realistisch. Die Züchter wissen doch was abgefragt wird und können das üben; so kann doch nicht getestet werden, wie das Pferd aus seiner Natur heraus reagiert. Wird so nicht eher getestet, ob der Züchter das Pferd gut geschult hat?

Die Tests sind schon alle sehr verschieden. Wenn du den Teppichtest mit einem durchgeknallten Pferd machst, brauchst du den Teppich nur an einen anderen Ort zu legen, um eine Reaktion zu bekommen. Der Test ist noch nicht über jeden Zweifel erhaben, da sind wir uns alle einig. Hier besteht noch Forschungsbedarf, aber der Ansatz ist der richtige. Außerdem ist es doch gut, wenn jeder Züchter seine Pferde auch desensibilisiert. Dann ist schon sehr viel Arbeit geleistet für die zukünftigen Besitzer, denn was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr.

 

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