Interview mit Leo Risch

Leo Risch, Fahrer des Schweizer Nationalgestütes in Avenches über Nejack.

Leo Risch betreut und fährt die beiden Hengste Lasting und Nejack. Vor einiger Zeit haben wir Leo Risch bereits zu dem Hengst Lasting, der auch international erfolgreich ist, interviewt. Im Sommer 2011 führten wir ein Interview über den Deckhengst Nejack. Nejack startet vor allem national, da er ein international gefragter Vererber ist und seinen Pflichten im Deckgeschäft nachkommen muss. Nejack ist ein wichtiger Sympathieträger der N-Linie (Nepal/Cojack) bisher mit einem gekörtem Sohn (Niro). Ninjo HRE wurde in diesem Frühjahr (2012) als zweiter Sohn Nejacks gekört.

Wie würdest du Nejack beschreiben?

Nejack ist charakterlich sehr stark. Er ist ein Pferd auf das du dich verlassen kannst. Er ist sehr angenehm im Ungang, auch bei anderen Leuten. Er ist nicht nur auf eine Person bezogen. Meine Groom Daniela Häuptle kann auch mit ihm machen. Er weiß genau wie er sich verhalten muss, mittlerweile hat er zwischen Sport und Decksaison seine Routine. Auf der Deckstation ist er der Chef, ihn in dieser Zeit mit Lasting zusammen anspannen, geht dann nicht. Hier, in Avenches ist das kein Problem, er kann zwischen Deckgeschäft und Arbeit genau unterscheiden. Auf Turnieren sieht man nicht, daß er Hengst ist, da geht er zwischen Stuten, Hengsten und Wallachen.

Gibt Nejack seine Stärken an die Nachzucht weiter?

Rein von den Zuchtwertschätzungen hat er seit 4 Jahren die besten Zuchtwerte. Die Jungen sind gerade im Verhaltenstest sehr stark und ähneln darin ihrem Vater sehr. Ich bilde pro Saison einige Nejacks aus, es gibt immer Ausnahmen, bei jedem Hengst, aber die jungen Nejacks sind in der Vorbereitung für den Feldtest sehr angenehm. Sowohl unter dem Sattel als auch am Wagen sind sie sehr willig und lernbereit. Ich habe in diesem Jahr zwei junge Freibergerhengste auf Station gehabt. Normalerweise zieht junges Blut immer gut. Wenn man junge Hengste auf der Station hat werden diese im Allgemeinen gut angenommen. Nach 12 Jahren auf meiner Deckstation, deckt Nejack immer noch am Meisten, ca. 50 Stuten. Das ist ein gutes Zeichen, die Züchter schätzen ihn, und kommen wieder zu Nejack, weil sie zufrieden sind. Marktstrategisch betrachtet sind die Nejacknachkommen gut verkäuflich. Das ist ein gutes Zeugnis für ihn.

Gibt es an seinem Körperbau etwas, das ihn fürs Fahren besonders geeignet macht?

Ja, das sind natürlich seine schräge Schulter und seine Gänge. Er hat den Körperbau um seine Gänge zu zeigen. Er kommt aus der Schulter und aus der Nachhand. Seine gute Halsung. Diese Dinge machen ihn zu einem Spitzensportler.

Gibt es etwas an seinem Körperbau, das er besonders zuverlässig weitervererbt?

Das ist immer eine etwas schwierige Geschichte. Aber durch seine Zuchtwertschätzung kann man bestimmte Merkmale hervorheben. Ganz bestimmt kann man seine schräge Schulter nennen, die er weiter gibt, seinen Kopf und sein gutes Auge. Im Jahr 2008 beispielsweise war er der Hengst mit den besten Nachkommen an den Feldtests.

Welche Erfolge hattet ihr in diesem Jahr (2011)?

Das muss ich vielleicht ein bisschen erklären. Ich habe im Moment 2 Pferde, die ich bei Prüfungen einsetzte, Lasting und Nejack. Es ist Nejacks Handicap, daß er ein Deckhengst ist. Ich kann Lasting besser trainieren. Die Sportkommission bestimmt welches Pferd ich zu den größeren Prüfungen mitnehme, da ich im Kader bin. Die Sportkommission ist der Meinung, daß er entweder decken oder im internationalen Sport gehen sollte. Er macht trotzdem Sport, aber das Deckgeschäft ist sportlich gesehen, ein bisschen sein Handicap, bei 50 Stuten. Da er im Natursprung ist, möchte ich auch nicht wochenweise wechseln. Trotz des hohen Anspruchs hat er bei der großen Prüfung in Frauenfeld den 4. Rang erzielt, Altstätten und Scherz hat er gewonnen und in Oberbüren hat er den 2. Rang gemacht. Am Wochenende wird er auch wieder in Bern (Anmerkung: NPZ) eingesetzt und natürlich an der Superpromotion bei den Finals des Nationalgestüts in Avenches, die hat er letztes Jahr gewonnen. In diesem Jahr habe ich wegen seiner regen Decktätigkeit keine Auslandsstarts gemacht. Sonst nehme ich ihn immer gerne ein- bis zweimal im Jahr mit ins Ausland.

Wie kam es dazu, dass du anfingst mit Nejack zu arbeiten?

Er kam als Deckhengst zu mir auf die Deckstation. Ich war immer der Meinung, daß die Deckhengste in den vier Monaten der Saison nicht nur den Deckeinsatz genießen oder auf dem Paddock verweilen sollten. Ich arbeite die Pferde immer. So habe ich auch mit Nejack begonnen. Das ging so gut, daß ich mir sagte, es ist doch kein Problem, mit einem Hengst an ein Turnier zu gehen. Ich ging mit ihm an ein Turnier wie mit einem Wallach, von der Deckstation weg. Das machte sehr viel Spaß, ich habe schnell sein Potential gesehen. Mit ihm bin ich erfolgreich geworden, er hat mir zu diesen Erfolgen und dem Platz im Kader verholfen.

Ist es dann nicht ein bisschen traurig, daß du gerade ihn nicht als dein Kaderpferd mit an die ganz großen Events nehmen kannst?

Ja schon, wenn man ein gutes Pferd hat, kommt man nicht in diese Situation, aber wenn du zwei gute Pferde hast ist es eben so. Ich habe immer gesagt, er hätte es wirklich verdient.

Vielleicht kommt das noch?

Ja, inzwischen ist er schon 15 Jahre alt. Ich werde ihn weiterhin sehr gezielt einsetzen. Ich will ja nicht mit 18 Jahren sagen, jetzt kann man ihn nicht mehr brauchen, jetzt ist er lahm. Ich gönne ihm ein langes Leben.

Dir wird von allen Seiten bescheinigt, daß du sehr gut und sorgfältig mit den Pferden arbeitest. Da ist die Chance doch groß, daß du lange etwas von Nejack hast.

Bei guten Pferden, die sich anbieten besteht immer die Gefahr, sie zu sehr zu belasten. Man sollte den jungen Pferden Zeit lassen. Ich habe zwar im Moment noch zwei Klassepferde, aber beide werden älter. Die beiden habe ich auf der Station, ich kann sie das ganze Jahr über arbeiten wie ich will. Private Hengsthalter dürfen die Pferde nicht arbeiten. Nach vier Monaten kommen sie nach Hause und müssen zügig über die Promotion fürs Finale qualifizieren. Da ist die Gefahr groß, daß sie überfordert werden. Wenn sie bei mir auf Station sind, kann ich sie das ganze Jahr vorbereiten, auch während der Station. Bei mir müssen die Pferde mit 6 Jahren nicht auf dem Horizont sein, den internationale Pferde brauchen. Mit 10 Jahren sind sie dann wirklich fertig und haben das Niveau, das sie haben müssen. Das Warten lohnt sich. Sehr viel Glück ist natürlich auch immer dabei. Ich hatte noch nie größere Probleme mit den Pferden, ein seriöser Aufbau ist sicherlich ein Bestandteil. Das Nationalgestüt, das mir diese Möglichkeiten gibt, hat einen großen Anteil an diesen Erfolgen

Wie gestaltest du das tägliche bzw. wöchentliche Training?

Ich lege mich beim Training nicht fest. Jetzt hatte Nejack am Wochenende Turnier, dann wurde er am Montag ruhig gefahren, er könnte aber auch ruhig geritten werden. Nach einem Turnier ist ruhige Arbeit wichtig. Am Dienstag wird die Arbeit dann wieder intensiver. Die Pferde werden 2x pro Tag bewegt, lieber 2x am Tag 20 Minuten als 40 Minuten auf einmal. Er geht in die Führanlage. Bei mir gehen die Pferde nicht jeden Tag in die Führanlage, aber es ist ein wichtiger Bestandteil des Konditionstrainings. Nach einer Pause werden sie geritten oder gefahren. Sie kommen auch in den Park (Anmerkung: die großen Paddocks des Nationalgestüts), wo sie sich frei bewegen können, das ist gut für den Kopf. Sie werden auch longiert. Das Training ist sehr abwechslungsreich. Je älter die Pferde werden, desto mehr fordern sie dich heraus. Sie kennen den Ablauf und wissen genau was jetzt passiert. Auch während des Turniers. Entweder kennen sie das Programm oder sie wissen genau jetzt geht’s ins Turnierviereck, jetzt lässt er mich in Ruhe. Da muss man immer konsequent sein. Wenn ich zum Beispiel merke, jetzt läuft er mir über die Schulter, jetzt verkantet er sich, dann arbeite ich solange in diesem Moment bis ich es wieder habe. Ich bin nicht so derjenige der gerne vor ihnen nachgibt. Wenn sie nachgeben, gebe ich immer sofort auch nach. Das ist wichtig. Wenn die Pferde es gut gemacht habe, höre ich auf, dann gehe ich noch im Schritt ausfahren, so dass sie wissen, jawohl es ist einfacher, wenn ich es so mache wie er es will, dann habe ich meine Ruhe.

Daniela Häuptle und Nejack

Wird Nejack regelmäßig geritten?

Ich muss zugeben, dass Nejack fast mehr geritten als gefahren wird. Ein gutes Fahrpferd ist gut geritten. Nejack ist auch sehr gut am Sprung. Manche halten mich für verrückt, dass ich ihn springen lasse, weil sie denken so könnten gefährliche Situationen am Wagen entstehen. Aber warum sollte er nicht springen, wenn er es gerne macht. Klar möchte ich das vor einem großen Einsatz nicht provozieren, da schaue ich schon.

Arbeitest du mit dem Reiter Hand in Hand?

Ja da sprechen mein Groom Daniela und ich uns ganz klar ab. Sie sagt mir manchmal da könnte was sein. Mit Hilfe des Schenkels kann man vieles sehr effektiv arbeiten. Bei Pferden, die schon ein gewisses Alter haben und geritten worden sind, wie Nejack, kann ich meine Peitsche anlegen und er macht Traversalen, weil er ganau weiß es ist ein Schenkelersatz. Das ist wichtig. Am Liebsten fahre ich sie mit der Stimme. Das müssen sie bei mir können. Was nützen mir 100 Kilo in der Hand, wenn ich halten will?

Gibt es eine Disziplin, die Nejack besonders liegt oder an der er besonders Spaß hat?

Das ist das Kegelfahren, da ist er ein Zug auf Schienen. Das macht er sehr gerne.

Hast du die Wendungen besonders gearbeitet?

Nein, ich muss ehrlich sagen, ich übe das nicht zuviel. In jungen Jahren habe ich schon gemerkt, desto mehr ich das geübt habe, desto mehr Fehler gab es. Kegelfahren ist eine Kopfsache. Manche Leute kritisieren da meine Einstellung. Ich muss ihnen irgendwie auch Recht geben in diesem Punkt. Aber wieso sollte ich etwas ändern wenn es so stimmt? Die heutigen Parcours sind extrem, teilweise wird das richtig gefährlich. Dazu kommt der immense Zeitdruck. Die Wendungen werden immer enger gestellt und immer enger gefahren. So entstehen Unfälle und wirklich unschöne Bilder. Viele Fahrer sind sich einig darüber, daß diese Entwicklung nicht ewig so weitergehen kann, auch wenn sich das Material natürlich enorm weiterentwickelt hat.

Gibt es eine kleine Anekdote oder Geschichte, die typisch für Nejack ist?

Wenn man ihn so im Stall sieht, oder beim Training, wirkt er eher ein bisschen Trainingsfaul. Aber wenn es darauf ankommt ist er voll da. Letzten Samstag hatten wir ein Turnier, das er wieder gewonnen hat. Dann ist er einfach immer voll da. Hier in der Schweiz gibt es eine große Prüfung in Frauenfeld. Im Hindernisfahren hatte ich eine scharfe Wendung zwischen E und F zu fahren. Bei E rutschten mir die Leinen aus der Hand. Nejack drehte und durchfuhr selbständig F. Das war ein Ding! Ein Richter kam und sagte: „Der kann ja lesen!“ Das ist Nejack!

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