Interview mit Otto Werst

Otto Werst ist der Zuchtwart des Deutschen Fördervereins für Freiberger Pferde e. V.. Vielen Dank auch an dieser Stelle für die Beantwortung unserer Fragen.

 

1. Mandoline:

Gibt es Informationen oder Schätzungen wie viele Freiberger es mittlerweile in Deutschland gibt?

Otto Werst:

Leider sind die meisten Freiberger in Deutschland nicht erfasst, sodass uns nach wie vor keine belastbaren Zahlen über den Gesamtbestand an Freibergern in Deutschland vorliegen.

2. Mandoline:

Steigt die Population? Können Sie sagen um wie viel Prozent sie jährlich steigt?

Otto Werst:

Auch hier haben wir das gleiche Problem, dass keine belastbaren Zahlen vorliegen. Meiner subjektiven Empfindung nach, denke ich, dass wir einen stetigen Zuwachs verzeichnen können. Prozentangaben hierzu kann ich nicht machen.

3, Mandoline:

Wie viele Freibergerfohlen werden jedes Jahr in Deutschland geboren?

Otto Werst:

Auch hier wiederum kann ich nur von den erfassten Fohlen sprechen. Demnach werden in Deutschland jährlich zwischen 20 und 30 Freibergerfohlen als solche gekennzeichnet und eingetragen. Nach wie vor werden aber immer wieder Fälle bekannt, bei denen Freibergerfohlen nicht als Freiberger gekennzeichnet werden.

4. Mandoline:

Gibt es schon einen Hengst der in Deutschland geboren wurde?

Otto Werst:

In Deutschland gibt es bereits einige Hengste, die in Deutschland geboren sind und zur Zucht in Deutschland anerkannt wurden. Allerdings ist es bisher noch nicht gelungen, einen in Deutschland geborenen Hengst auch in der Schweiz anerkennen zu lassen.

5. Mandoline:

Gibt es eine Einigung der regionalen Zuchtverbände in Deutschland zum Standard des Freibergers?

Otto Werst:

Nach wie vor gibt es lediglich lose Absprachen innerhalb der regionalen Zuchtverbände und keine einheitliche Vorgehensweise in Deutschland zum Freiberger.

6. Mandoline:

Wie viele Hengste sind in deutsche Zuchtbücher eingetragen?

Otto Werst:

Zurzeit sind ca. 15 Freibergerhengste in deutsche Zuchtbücher eingetragen.

7. Mandoline:

Haben alle einen Leistungstest gemacht?

Otto Werst:

Nicht alle zur Zucht eingetragenen und in Deutschland anerkannten Hengste haben einen Leistungstest nach dem Ursprungszuchtbuch in der Schweiz gemacht. In Deutschland ist es so, dass zwar bei den meisten Rassen ein Leistungstest gefordert wird, zur Durchführung dieses Leistungstests haben jedoch die meisten Rassen ein oder mehrere Jahre Zeit, sodass in dieser Zeit Nachzucht produziert werden kann, die dann eventuell von Hengsten abstammen, die später eventuell den Leistungstest gar nicht bestanden haben.

8. Mandoline:

Müssen Freibergerhengste in Deutschland einen Leistungstest machen, um zur Zucht zugelassen zu werden, oder gibt es da Grauzonen?

Otto Werst:

Auch in Deutschland gekörte Freibergerhengste müssen einen Leistungstest machen. Allerdings werden hier von den regionalen Zuchtverbänden unterschiedliche Leistungstests durchgeführt. Grundsätzlich ist es jedoch nur korrekt, wenn ein Leistungstest analog dem Ursprungszuchtbuch durchgeführt und anerkannt wird.

9. Mandoline:

Ist der Freibergerhengst beispielsweise beim Stationstest im CVI gut aufgehoben? Reicht die Beurteilung des Charakters in dieser Prüfung aus?

Otto Werst:

Es gibt keine Alternativtests. Wenn wir Freiberger züchten wollen, müssen wir auch den Leistungstest analog des Ursprungszuchtbuchs durchführen.

10. Mandoline:

Ist das Absolvieren des CVI ein Konsens zwischen den regionalen deutschen Zuchtbüchern, oder wird das je nach Region auch unterschiedlich gehandhabt?

Otto Werst:

Es ist bekannt, dass die Zuchtverbände in Deutschland für die Anerkennung des Freibergers unterschiedliche Leistungstest akzeptieren, angefangen bei Leistungstests für Ponys bis zu Leistungstests für Kaltblüter. In einem Fall wurde sogar ein ganz normaler Feldtest als Leistungstest anerkannt. Dies sind nach meiner Auffassung absolut indiskutable Zustände.

11. Mandoline:

Können Freibergerstuten ohne vollständig absolvierten Feldtest, in der Zuchtrichtung Reiten und Fahren, zur Zucht in Deutschland eingetragen werden?

Otto Werst:

In Deutschland können auch Freibergerstuten ohne absolvierten Feldtest zur Zucht zugelassen werden, unterscheiden sich jedoch dann in den Zuchtwertklassen / oder Abteilungen in denen sie eingetragen sind. Auch dies sind absolut indiskutable Zustände. Auch hier ist sich strikt an die Einhaltung des Ursprungszuchtbuches zu halten.

12. Mandoline:

Gibt es andere Rassen, die ohne Leistungstests zur Zucht in Deutschland zugelassen werden?

Otto Werst:

Nach meinem Kenntnisstand ist es für die meisten Rassen in Deutschland möglich, ohne Leistungstest zur Zucht zugelassen zu werden. Auch hier gilt das gleiche wie zu Punkt 11. Eine Unterscheidung findet dann über die Zuchtwertklassen/ Abtteilungen statt.

13. Mandoline:

Wie stellen Sie sich eine Zusammenarbeit mit dem Schweizer Zuchtverband vor?

Otto Werst:

Die Idealvorstellung wäre, dass jeder deutsche Freibergerzüchter von seinem Regionalverband betreut werden kann. Die Durchführung der Fohlenschauen und Feldtest müssen analog zum Ursprungszuchtbuch der Schweiz durchgeführt werden, so dass die Zuchttiere und deren Nachzucht international anerkannt sind.

14. Mandoline:

Was muss in der Zusammenarbeit des deutschen Zuchtverbandes mit dem Schweizer Zuchtverband noch verbessert werden?

Otto Werst:

In der Zusammenarbeit der deutschen Zuchtverbände mit dem Schweizer Verband ist leider noch so gut wie nichts geregelt. Lediglich durch die gesetzliche Bestimmung (insbesondere EU-Recht, in dem die Schweiz durch die Unterzeichnung der Bilateralen Abkommen beigetreten ist). In Deutschland haben wir die Situation, dass wir ca. 15 bis 20 regionale Zuchtverbände haben, die eigenständig tätig sind. Das würde bedeuten, dass der Freiberger-Zuchtverband mit jedem regionalen Zuchtverband Vereinbarungen abschließen müsste. Umgekehrt ist es so, dass ich in Zusammenarbeit mit dem Schweizer Zuchtverband die Erfahrung gemacht habe, dass bereits getroffene Vereinbarungen immer wieder neu besprochen und verhandelt werden müssen. Trotz der Tatsache, dass hier nur ein Zuchtverband als Ansprechpartner vorhanden ist, sind auch hier nur Fortschritte in ganz kleinen Schritten zu verzeichnen.

15. Mandoline:

Was sollten die deutschen Züchter in ihrer Zucht bedenken?

Otto Werst:

Diese Frage ist in 2 Teilen zu beantworten. Zu den Formalitäten ist klar auszusagen, dass gemäß der EU-Richtlinien eine Zucht immer nach den Vorgaben des Ursprungszuchtbuches, insbesondere in Bezug auf Selektion und Leistungstests durchzuführen ist. Zur Zucht selbst ist natürlich zu sagen, dass jeder Züchter sich Gedanken machen muss: Was will ich züchten? Welches Pferd habe ich zur Verfügung? Welche Punkte muss in verändern, um mein Zuchtziel zu erreichen? Nur wer diese Grundkriterien beherzigt, züchtet und beschränkt sich nicht nur aufs Vermehren.

16. Mandoline:

Was sind die Stärken des Freibergers?

Otto Werst:

Die besonderen Stärken des Freibergers sind ja hoffentlich allen Freibergerfreunden hinlänglich bekannt. Es ist einerseits der gute Charakter und die Vielseitigkeit des Pferdes, das sich außerdem durch Robustheit und Leichtfuttrigkeit auszeichnet. Wir selbst können aus unserem Bestand bzw. aus unserer Zucht allein 3 Pferde aufweisen, die teils im Sport bis Klasse S platziert oder in M-Dressuren erfolgreich waren und gleichzeitig zum Holzrücken bzw. zu Holzrückmeisterschaften erfolgreich eingesetzt wurden. So sind aktuell zwei unserer Zuchtprodukte, die sportlich sehr aktiv sind, seit Jahren hier in der Holzrücker-Szene sehr erfolgreich und wechseln immer wieder den 1. und den 2. Platz bei den Landesmeisterschaften untereinander.

17. Mandoline:

Wie kann man diese in der deutschen Freibergerzucht erhalten?

Otto Werst:

Um die Stärken des Freibergers zu erhalten, muss man sich eigentlich nur die unter 16 bereits genannten Gedanken machen und sich dabei am Ursprungszuchtbuch orientieren.

18. Mandoline:

Können die deutschen Züchter den Wissensvorsprung den Schweizer Züchter über zurückliegende Generationen haben, aufholen? Ist dieses Wissen überhaupt relevant, oder muss sowieso jedes Individuum für sich alleine beurteilt werden?

Otto Werst:

Natürlich herrscht in der Schweiz ein Wissensvorsprung in der Breite. Im Einzelnen bin ich der Überzeugung, dass wir in Deutschland sehr gute Züchter haben, die bereits heute schon vielen Schweizer Kollegen Paroli bieten können. Wissen schadet auch in der Zucht nicht. Allerdings ist bei Zucht auch noch neben einem Quäntchen Glück etwas Fantasie und das nötige „Feeling“ für die richtige Paarung erforderlich.

19. Mandoline:

Inwiefern könnten die Schweizer Züchter vom Austausch mit deutschen Züchtern profitieren?

Otto Werst:

Beim Austausch unter Züchtern sollte die Nationalität keine Rolle spielen.

20. Mandoline:

Wie kann man verhindern, dass sich deutsche Züchter aufgrund negative Erfahrungen mit dem SFV, nicht mehr an den Vorgaben des Schweizer Zuchtverbandes orientieren?

Otto Werst:

Zu dieser Frage weiß ich auch keine Lösung. Es wird immer so sein, dass Züchter, insbesondere solche, die nur ein, zwei Fohlen oder gelegentlich ein Fohlen züchten von ihren eigenen Fohlen so überzeugt sind, dass sich bei der Beurteilung durch die Richter, egal ob Schweiz oder deutsch, benachteiligt fühlen. Ich sehe es keinesfalls als erforderlich an, deutsche Züchter an den Schweizer Verband zu binden. Natürlich stehen wir niemandem im Wege, der dies wünscht. Ich persönlich vertrete schon immer die Auffassung, dass die deutschen Züchter auch von deutschen Regionalverbänden betreut werden sollten. Allerdings unter Beachtung des Ursprungszuchtbuchs.

21. Mandoline:

Hat der Schweizer Zuchtverband ein Interesse daran deutsche Züchter an sich zu binden?

Otto Werst:

Selbstverständlich hat der Schweizer Zuchtverband ein Interesse daran, deutsche Züchter an sich zu binden. Dies ist nun mal die Aufgabe eines jeden Zuchtverbandes, Mitglieder zu gewinnen.

22. Mandoline:

Was benötigen wir an Strukturen vor Ort in Deutschland, um die Umsetzung zum Beispiel des Verhaltenstests garantieren zu können?

Otto Werst:

Besondere Strukturen vor Ort in Deutschland und zur Umsetzung des Verhaltenstests sind meines Erachtens nur dahingehend erforderlich, dass die Richter nach den Kriterien des Ursprungszuchtbuches urteilen und durch den Schweizer Freiberger-Zuchtverband auch als Richter anerkannt sind.

23. Mandoline:

Reicht es, dass sich die Züchter zum Beispiel sehr bewusst sind, dass der Charakter des Freibergers der Schlüssel für den Erfolg der Rasse ist, oder müssen Institutionen den Standard festschreiben und schützen?

Otto Werst:

Leider ist es so, dass überall Regeln und Standards festgeschrieben werden müssen, da sich ansonsten die Meinung der Züchter sehr weit unterscheiden würde. Wir kennen aus unserem Bekanntenkreis etliche Fälle, bei denen einerseits ein fleißiges Pferd mit Vorwärtsdrang und Bewegungsfreude in falschen Händen als Durchgänger beschrieben wird, andererseits ein faules Pferd ohne Bewegungsfreude und Fleiß als charakterstark klassifiziert wird. Dies liegt in beiden Fällen nicht an den Pferden sondern an den Reitern oder Fahrern.

24. Mandoline:

In den Schweizer Regularien kommt es fast jährlich zu Änderungen. Dies ist regional in der Schweiz möglich, da die Betroffenen Institutionen und Gremien relativ überschaubar sind, wäre es in Deutschland überhaupt mögliche diese Änderungen termingerecht zu übernehmen?

Otto Werst:

Nicht nur in der Schweiz kommt es ständig zu Veränderungen in den Regularien. Dies ist wohl in allen Zuchtverbänden so. Allerdings bin ich nicht der Meinung, dass dies in der Schweiz kurzfristig durchzuführen ist. Wenn man den Aufbau des Schweizer Zuchtverbands mit den Strukturen und den delegierten Verbänden kennt, weiß man, dass viele Veränderungen Jahre benötigen, um die verschiedenen Gremien zu durchlaufen und umgesetzt werden können. Dies wird in Deutschland nicht anders sein.

25. Mandoline:

Ist es eine Chance oder eine Gefahr dass sich der Freiberger in Deutschland unabhängiger vom SFV entwickelt als die Zucht innerhalb der Schweiz?

Otto Werst:

Hier sehe ich eher die Gefahr, dass man sich unterschiedliche und vor allen Dingen bequemere Wege auswählt um zu züchten. Grundsätzlich ist eine Zucht immer an das Ursprungszuchtbuch gebunden. Wenn wir Freiberger züchten wollen, kommen wir nicht um eine Zusammenarbeit mit dem Freiberger-Zuchtverband herum. Umgekehrt ist natürlich auch zu sagen, wenn der Freiberger-Zuchtverband möchte, dass sich die Zucht in Deutschland nach dem Ursprungszuchtbuch richtet, muss man auch dort sich entsprechend bewegen.

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