Linienzucht - Inzucht

Linienzucht wird am Einfachsten durch die Anpaarung enger Verwandter realisiert. Das nennt man Linien- oder Inzucht. Durch die Auslese/Selektion, wird die Summe der unterschiedlichen Eigenschaften bzw. Gene immer kleiner. Das führt dazu, daß sich der genetische Pool einer Zuchtpopulation immer weiter reduziert. Dies ist einerseits gewünscht, denn nur durch diese Strategie ist eine kleine Streuung der Eigenschaften zu erreichen. Andererseits ist bei hohem Inzuchtgrad mit einer Inzuchtdepression zu Rechnen. Diese zeigt sich zum Beispiel in geringer Vitalität und Fruchtbarkeit einer Population, aber auch in Erbkrankheiten und ähnlichem. Unter "Vitalität" versteht man die Widerstandsfähigkeit und Anpassungsfähigkeit an wechselnde und belastende Umwelteinflüsse, was auch die Krankheitsresistenz beinhaltet. Demnach kann das Immunsystem durch Inzucht geschwächt werden. Gerade die genetische Vielfalt ermöglicht es Lebewesen, auf Angriffe von außen, mit der Produktion von verschiedenen Arten von Antikörpern zu reagieren. Mit zunehmender Reinerbigkeit sinkt also die Abwehrfähigkeit des Immunsystems. Erklärt wird das damit, dass zwei unterschiedliche Allele zu unterschiedlichen Leistungsoptima führen, so dass der mischerbige Genotyp dem reinerbigen gegenüber Leistungsvorteile hat. Züchtung besteht aber gerade darin, die positiven Eigenschaften von Inzucht zu nutzen, indem gezielt geeignete Typen selektiert werden. Inzucht führt dazu, daß immer mehr Eigenschaften reinerbig werden, also in beiden Chromosomensätzen gleich vorhanden sind. Mit jeder Inzucht-Generation nimmt die Mischerbigkeit ab und die Zuchtergebnisse werden immer vorhersehbarer. Das was die Elterntiere an Eigenschaften zeigen, ist bei der Linienzucht im höheren Maße auch das was sie vererben. Dadurch wird die Zucht leichter lenkbar und birgt weniger Überraschungen. Grundvoraussetzung für die Linienzucht ist eine genaue Kenntnis der Eigenschaften der Zuchttiere, damit es keine bösen Überraschungen gibt. Das Ziel der Inzucht ist die Qualitäten eines bestimmten Elterntieres, die der Linienzucht die Qualität einer Linien in den Nachkommen genetisch so zu festigen, dass sie sicher weitervererbt werden. Linienzucht ist also die konsequente Inzucht über Generationen. Dabei ist die Homogenität je höher je enger die verpaarten Tiere miteinander verwand sind. Bei der Zucht mit nicht verwandten Pferden von äußerlich gleichem Typ verstärkt sich die Erbkraft nicht, im Gegensatz zu aus Linienzucht stammenden Pferden. Wenn ein Pferd relativ eng gezüchtet ist, vererbt es voraussichtlich seine Eigenschaften stärker als ein genauso gutes und schönes, das aus einer nach äußeren Merkmalen oder anderen Beweggründen geplanten Paarung stammt! Hiermit ist erklärt, warum „Mischlinge“ mit möglichst bunter Ahnentafel nicht unbedingt die stärksten Vererber sind, auch wenn sie äußerlich fehlerfrei und typvoll sind. Nachweislich übertragen liniengezüchtete Pferde ihren Typ verstärkt auf ihre Nachkommen, sie „prägen stärker“.

Linienzucht beim Freiberger

Jules Gloor, 1. Sekretär der Landwirtschaftsdirektion des Kantons Bern, stellte an der Schweizerischen Landesaustellung in Bern 1914 Tabellen über die Vererbungskraft der Hengste Vaillant und Peter aus. Der Kreuzungshengst Vaillant hatte in auffallend kurzer Zeit eine große Zahl prämierter männlicher und weibliche Tiere aufweisen können. Man stufte diese Familie als besonders züchterisch wertvoll ein. Eine Komission machte sich von der Durchschlagskraft der einzelnen Vererber ein Bild und erfasste diejenigen Zuchthengste die als Stammhengste des Zuchtbuches eingetragen wurden. Man konnte nur zwei im Jura gezüchtete Hengst aufnehmen, nämlich Vaillant und Marquis. Vaillant gilt als das Produkt einer Inzucht zwischen Halbbruder und Schwester. Beider Großmutter ist Paulette, die auf Anglonormänner und einen französischen Vollbluthengst zurückgeht. Anhand des Freiberger Hengstes Judäa zeigt sich der hohe Stellenwert, den die Linienzucht in der Freibergerzucht einnimmt. Dabei ist die liniengeführte Abstammung des Hengstes Judäa keine Ausnahme, sondern die Regel. Die beiden Hengste Imprévu und Vaillant gelten als die Väter des modernen Freibergers. Judäa führt 4x die Familie Imprévu (4x über Chasseur) und 8x die Familie Vaillant im Pedigree. Es sind lediglich die Hengstfamilien berücksichtigt, da diese besser dokumentiert bzw. Informationen über die Hengste leichter zugänglich sind.

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